Die Tragödie von Aschaffenburg, bei der ein psychisch kranker Asylbewerber aus Afghanistan eine Kindergartengruppe attackierte und zwei Menschen tödlich verletzte, hat das Thema Migration erneut in den Fokus der politischen Debatte gerückt.
Für Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz war der Moment Anlass, ein ebenso radikales wie kontroverses Versprechen abzugeben: eine vollständige Kehrtwende in der deutschen Migrationspolitik.
„Wir stehen vor einem Scherbenhaufen einer in den letzten zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik“, erklärte Merz am Donnerstag in einem Pressestatement.
Er kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs alle deutschen Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und illegale Einreisen ausnahmslos zu verhindern – auch für Personen mit Schutzanspruch. Dies würde eine Abkehr von bisherigen EU-Regeln bedeuten, die Deutschland verpflichten, Asylanträge bei der Einreise zu prüfen.
Ein radikaler Plan mit ungewisser Umsetzung
Merz machte deutlich, dass es ihm gleichgültig sei, welche Koalitionspartner ihn bei diesem Kurs unterstützen. „Ich gehe keinen anderen Weg“, stellte er klar. Seine Forderungen umfassen nicht nur die Grenzschließung, sondern auch eine drastische Erhöhung der Abschiebequote.
Ziel sei es, mehr als 100.000 Abschiebungen jährlich zu erreichen – eine Zahl, die die derzeitige Realität bei weitem übertrifft. Aktuell werden nur rund 20.000 Personen jährlich abgeschoben, einschließlich der Überstellungen innerhalb Europas.
„Es geht um die Sache“, erklärte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Abend bei WELT TV. Wenn es keinen Koalitionspartner gebe, der diese Position unterstütze, „dann können wir halt nicht regieren.“
Kritik an BAMF und Dublin-Verfahren
Der Fall des mutmaßlichen Täters aus Aschaffenburg zeigt exemplarisch die Schwächen des europäischen Dublin-Systems. Obwohl Bulgarien als erstes EU-Land zuständig gewesen wäre, scheiterte die Überstellung des Afghanen an der kurzen Frist von sechs Monaten, die im europäischen Recht verankert ist.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte in diesem Zusammenhang das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) scharf. Er warf der Behörde vor, wichtige Entscheidungen zu spät getroffen zu haben, sodass der Mann nach Ablauf der Überstellungsfrist in Deutschland bleiben durfte.
„Wir stehen hier vor einem System, das sowohl national als auch europäisch versagt“, erklärte Herrmann.
Laut einer internen Auswertung des BAMF scheiterten Überstellungen häufig an administrativen Hürden, wie fehlenden Flugverbindungen oder Kirchenasyl.
Ein Problem, das größer ist als Deutschland
Die Tragödie hat auch die strukturellen Probleme der EU-Migrationspolitik ins Licht gerückt. Staaten wie Bulgarien und Kroatien, die an den EU-Außengrenzen liegen, gestalten Rückführungen häufig kompliziert.
So erlaubt Bulgarien keine Charterflüge und nimmt Rückführungen nur in geringen täglichen Kontingenten an. Von über 34.000 Übernahmeersuchen Deutschlands an Bulgarien seit 2015 wurden nur 842 tatsächlich umgesetzt.
Die Forderung von Merz, nationale Gesetze über EU-Regelungen zu stellen, stößt in diesem Kontext auf breite Diskussion. Während Kritiker vor einem Bruch mit der EU warnen, argumentieren Befürworter, dass Deutschland angesichts der hohen Zahl illegaler Einreisen keine andere Wahl habe.
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Politische Risiken für Merz
Die Aussagen von Merz sind riskant, nicht nur für seine Glaubwürdigkeit, sondern auch für die Regierungsfähigkeit der CDU. Die Forderung nach einem „faktischen Einreiseverbot“ und einer hohen Abschiebequote könnte potenzielle Koalitionspartner abschrecken, insbesondere die Grünen oder die FDP.
Gleichzeitig stärkt die klare Haltung des CDU-Chefs das Profil der Union in der Migrationsdebatte – ein Thema, das vielen Wählern zufolge längst ins Zentrum des Wahlkampfs gehört.
Ein Appell an die Basis
Für Merz scheint eines klar: Kompromisse in der Migrationspolitik wird es mit ihm nicht geben. Die CDU positioniert sich damit deutlich gegen die bisherigen Praktiken der Ampel-Regierung und strebt eine deutliche Verschärfung der Einreise- und Aufenthaltsgesetze an.
Ob dieser Kurs allerdings durchsetzbar ist, bleibt fraglich. Die Tragödie von Aschaffenburg könnte die Weichen für einen Wahlkampf stellen, in dem Migration erneut zum entscheidenden Thema wird – mit weitreichenden Konsequenzen für die politische Landschaft Deutschlands.