In der kanadischen politischen Landschaft hat sich eine tektonische Verschiebung ereignet: Finanzministerin Chrystia Freeland hat überraschend ihren Rücktritt eingereicht, nachdem Differenzen mit Premierminister Justin Trudeau unüberbrückbar schienen. Kern der Auseinandersetzung war die geplante Ausweitung der staatlichen Ausgaben, die Freeland als politischen Kunstgriff abtat. Diese Strategie, warnte sie, könnte Kanadas Handlungsfähigkeit im Angesicht der drohenden 25%igen Zölle des künftigen US-Präsidenten Donald Trump erheblich beeinträchtigen.
Dieser dramatische Abgang stellt eine der größten Krisen in Trudeaus politischer Karriere dar, der bereits seit November 2015 im Amt ist. Ohne Freeland verliert er eine zentrale Verbündete, während ein drohender Wahlsieg der oppositionellen Konservativen immer wahrscheinlicher wird. Schnell wurde Sicherheitsminister Dominic LeBlanc, ein enger Vertrauter Trudeaus, zum neuen Finanzminister ernannt, um die drohende Lücke zu füllen.
Die liberalen Abgeordneten sollten sich noch am gleichen Abend versammeln, um die Situation zu besprechen – allerdings ohne präzise Informationen über die angekündigte Diskussion. Gleichzeitig forderten zwei ihrer Reihen offen Trudeaus Rücktritt. Derweil verlangte auch der New-Democrat-Führer Jagmeet Singh lautstark nach einer Ablösung Trudeaus und erwog, den Premier nicht mehr bedingungslos zu unterstützen.
Der mögliche Rücktritt des Premierministers könnte beschleunigt werden, sollte es den Oppositionsparteien gelingen, gemeinsame Sache zu machen und einen Misstrauensantrag zu stellen. Doch das Parlament, kurz vor der Weihnachtspause stehend, kehrt erst Ende Januar zurück. Der konservative Parteivorsitzende Pierre Poilievre beschrieb die aktuelle Regierung als außer Kontrolle geraten und ungeeignet, inmitten einer drohenden Zollkonfliktsituation mit dem Haupt-Handelspartner USA zu agieren.
Freeland berief sich auf ein Treffen am vergangenen Freitag mit Trudeau als Wendepunkt. Dort schlug der Premierminister vor, dass sie künftig ohne eigenes Ressort, lediglich als Namensträgerin für die Kanada-US-Beziehungen, agieren solle – eine schwerwiegende Degradierung, die sie letztlich zum Rücktritt bewog.