Die kürzlich vorgestellten haushaltspolitischen Maßnahmen von Rachel Reeves, der britischen Finanzministerin, entfachten sowohl erstaunte als auch skeptische Reaktionen. Mit einer Anhebung der Steuern um mehr als 40 Milliarden Pfund und einer gesteigerten Kreditaufnahme hat Reeves historische Maßstäbe gesetzt. Diese fiskalische Lockerung, die nahezu 1% des britischen BIP ausmacht, bewegt sich in Dimensionen, die außerhalb von Rezessionen und Pandemien selten erreicht werden. Die Einschätzung der britischen Behörde für Haushaltsverantwortung deutet darauf hin, dass dieses Konjunkturpaket die Inflation um bis zu 0,4 Prozentpunkte ansteigen lassen könnte, was zu erheblichen Verkäufen britischer Staatsanleihen führte.
Kontrastiert wird dieser große fiskalische Schritt mit Reeves’ bislang konservativer Vorgehensweise vor den Wahlen, in denen das Versprechen lautete, das Wirtschaftswachstum ohne große Steuererhöhungen anzukurbeln. Dennoch entschied sie sich nun vermehrt für bewährte Methoden, um dringend benötigte Mittel für den Nationalen Gesundheitsdienst bereitzustellen. Der Balanceakt, dringend benötigte Reformen des Steuersystems zu umgehen, bleibt fragwürdig. Besonders brisant war die Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die trotz gegenteiliger Versprechen letztlich auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden dürfte.
Während die Diskussion um gebrochene Wahlversprechen an Fahrt aufnimmt, wäre eine simplere Lösung vermutlich gewesen, frühere Kürzungen der Sozialversicherungsabgaben rückgängig zu machen. Zwar setzten die Steuerpläne auf die stärkeren Schultern von Wohlhabenden, waren insgesamt jedoch weniger radikal als erwartet. Bemerkenswert sind hier die moderaten Anhebungen bei der Kapitalertragsteuer sowie die Anpassungen bei Erbschaftssteuerprivilegien für bestimmte Aktienindizes.
Inmitten eines frisch errungenen Wahlsieges hatte Reeves die Möglichkeit für tiefgreifende steuerliche Neugestaltungen, verpasste jedoch Chancen, beispielsweise mit Blick auf die Stempelsteuer - ein wesentlicher Wachstumshemmnisfaktor. Auch die unterlassenen Anpassungen von Glücksspielsteuern sowie Kfz-Steuern auf Elektrofahrzeuge werden kritisch betrachtet. Was bleibt, sind notwendige Steueranhebungen, um das Gesundheitssystem mit einem realen Anstieg von 3,4% zu unterstützen, auch wenn dies langfristig unhaltbar erscheint.
Was die Schulden angeht, wird Großbritannien voraussichtlich mit jährlichen Zuwächsen von 30 Milliarden Pfund klarkommen müssen; eine Entwicklung, die bereits jetzt Fragen über die zweckmäßige Anwendung dieser Mittel aufwirft.
Die Regierung unter Reeves tätigt massive Wetten auf zusätzliche Ausgaben, höhere Steuern und marktgestützte Expansion - jedoch ohne die passenden strukturellen Reformen bleiben solche Versprechen spekulativ. Die kommenden Monate werden zeigen, ob dieser fiskalische Drahtseilakt gelingt.