Ein Land im Reformmodus – Finnland kürzt radikal
Finnland galt lange als Vorzeigemodell des skandinavischen Sozialstaats – großzügige Hilfen, ein ausgebautes Wohlfahrtssystem und ein hohes Maß an sozialer Absicherung.
Doch seitdem die konservativ-rechtsnationale Regierung unter Ministerpräsident Petteri Orpo im Amt ist, geht es in eine völlig andere Richtung. Der Sozialstaat wird massiv beschnitten, Arbeitslose stehen unter stärkerem Druck, und auch Migranten müssen künftig nachweisen, dass sie in die Gesellschaft integriert sind, um staatliche Unterstützung zu erhalten.
Die Finanzministerin Riikka Purra, Vorsitzende der rechtsnationalen Partei „Die Finnen“, inszeniert sich dabei als rigorose Sparkommissarin. Ihre Botschaft: Finnland kann sich das bisherige Sozialmodell nicht mehr leisten. Und die Wähler haben ihr und der Koalition dafür ein Mandat erteilt.

Sozialabbau auf allen Ebenen
Der Kurs der Regierung zeigt sich an drastischen Maßnahmen:
- Arbeitslosenunterstützung: Bereits nach zwei Monaten werden die Leistungen um 20 Prozent gekürzt, nach acht Monaten sinken sie weiter. Zusätzliche Hilfen für Kinder wurden gestrichen.
- Wohngeld: Die staatliche Unterstützung für Mieter wurde um 12 Prozent gesenkt, Ersparnisse schließen Zahlungen künftig aus. Sozialämter dürfen Betroffene anweisen, günstigeren Wohnraum zu suchen.
- Gesundheitsversorgung: Viele Leistungen sind nun mit höheren Selbstbeteiligungen verbunden. Arztbesuche und Medikamente werden teurer.
- Arbeitsmarkt: Kündigungen sollen erleichtert, Tariflöhne in einzelnen Branchen flexibilisiert und befristete Verträge einfacher möglich werden.
Das Ziel: Mehr Menschen sollen arbeiten, statt sich auf Sozialleistungen zu verlassen. Kritiker warnen jedoch, dass viele Langzeitarbeitslose oder geringqualifizierte Menschen unter diesen Druckbedingungen kaum eine realistische Jobperspektive haben.
Steigende Armut, wachsende Proteste
Die Folgen der Einschnitte sind bereits spürbar. Die Obdachlosigkeit steigt, insbesondere in Helsinki, wo 40 Prozent mehr Zwangsräumungen durchgesetzt wurden. Auch die Zahl der Arbeitslosen wächst, da die finnische Wirtschaft in einer Rezession steckt.
Der Widerstand wächst: In den letzten Wochen kam es zu Streiks in mehreren Schlüsselindustrien – von der Chemiebranche bis zum öffentlichen Nahverkehr. Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Reformen, und auch in der Bevölkerung bröckelt die Zustimmung zur Regierung.
Ein Modell für Deutschland?
Für die CDU, die im Bundestagswahlkampf eine Abschaffung des Bürgergelds forderte, sind die Entwicklungen in Finnland ein interessantes Experiment. Schließlich setzt auch die Union auf das Narrativ, dass Sozialleistungen nicht zu komfortabel sein dürfen, um Arbeitsanreize zu erhalten.
Doch während Finnland auf Druck und Einschnitte setzt, bleibt unklar, ob der Plan aufgeht. Die steigende Arbeitslosigkeit zeigt, dass Reformen nicht nur aus Sanktionen bestehen können – sie müssen auch mit einem dynamischen Arbeitsmarkt einhergehen.
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