06. November, 2024

Märkte

Finanzmärkte im Wahlfieber: Volatilität im Spannungsfeld von Real und Imaginär

Finanzmärkte im Wahlfieber: Volatilität im Spannungsfeld von Real und Imaginär

Die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl versetzt die Finanzmärkte in eine merkwürdige Gemengelage aus Unruhe und Gelassenheit. Diese paradoxe Situation ist vor allem auf die deutlich auseinanderklaffende Lücke zwischen realisierter und impliziter Volatilität zurückzuführen – zwei miteinander verknüpfte, jedoch unterschiedliche Indikatoren der Marktturbulenzen.

Während die realisierte Volatilität, als rückblickend berechnetes Maß der jährlichen Standardabweichung der täglichen Renditen eines Vermögenswertes, sowohl in den Aktien- als auch Anleihemärkten relative Ruhe signalisiert, brodelt es unter der Oberfläche. Die implizite Volatilität hingegen, die auf erwarteten Schwankungen auf Basis von Optionen beruht, schlägt Alarm: Die Wahl und das anstehende Treffen der Federal Reserve am 7. November werfen lange Schatten voraus.

Banker und Trader bereiten sich auf hohe Volumina und zunehmende Volatilität in den Märkten für Anleihen und Währungen vor. Angesichts der potenziell großen Schwankungen haben sich Wall-Street-Banken bereits Zeit verschafft, indem sie Software-Updates pausieren und Hotelzimmer in der Innenstadt für Händler reservieren.

Dieser auffällige Unterschied zwischen realisierter und impliziter Volatilität ist zwar nicht ungewöhnlich, hat sich jedoch vor der Wahl zu einer beträchtlichen Differenz entwickelt. Laut der Deutschen Bank befindet sich die VIX-Prämie im Vergleich zur 30-tägigen realisierten Volatilität des S&P 500 im 91. Perzentil seit 2010. Ähnlich extreme Differenzen zeigen sich auch bei den US-Staatsanleihen.

Der Markt scheint die Wahl als seltenes Ereignis für festverzinsliche Wertpapiere zu betrachten, da mögliche Szenarien, insbesondere bei einer roten Übernahme, erheblichen Einfluss auf das Fed-Leitzinsen und damit auf die Marktschwankungen haben könnten. Solche Unterschiede sind auch im Goldmarkt sowie bei Währungen wie dem mexikanischen Peso und dem Euro zu beobachten.

Während Händler auf einen Rückgang der impliziten Volatilität nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses hoffen, bleibt die fehlende Bereitschaft zur Absicherung vor marktverändernden Ereignissen ein entscheidender Faktor, der die Preise für Absicherungen in die Höhe treibt. Die Unsicherheit, wie sich ein solch politisch geladenes Ereignis auf die Märkte auswirken wird, lässt potenzielle Verkäufer von Optionen zögern.

Die Diskrepanz zwischen realisierter und impliziter Volatilität, hervorgerufen durch das "elektorale Risikoprämienszenario", bleibt ein aufregendes Phänomen, das in dieser Form schon in den Jahren 2016 und 2020 beobachtet wurde und wohl auch in Zukunft Finanzhistoriker beschäftigen wird.