19. September, 2024

Wirtschaft

Fed startet Zinssenkungszyklus: Powell strebt weiche Landung an

Fed startet Zinssenkungszyklus: Powell strebt weiche Landung an

Jay Powell, Vorsitzender der Federal Reserve, hat die Mission der Fed während einer Rede in Jackson Hole letzten Monat unmissverständlich dargelegt: Die Unterstützung eines robusten Arbeitsmarktes bei der Erreichung der Preisstabilität. Am Mittwoch setzte Powell diese Mission um, indem er den Leitzins der Fed um einen halben Prozentpunkt auf 4,75-5 Prozent senkte – der Beginn des ersten Zinssenkungszyklus seit über vier Jahren.

Diese Entscheidung wurde begleitet von Projektionen, die eine weitere Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt bis Ende des Jahres und eine Serie von weiteren Kürzungen bis 2025 vorhersagen, wodurch die Zinsen auf 3,25-3,5 Prozent sinken sollen. Trotz anfänglicher Befürchtungen nahm der Finanzmarkt die Nachricht gelassen auf, ohne wesentliche Veränderungen bei den wichtigen Aktienindizes und Staatsanleihen.

Peter Hooper, stellvertretender Forschungsleiter der Deutschen Bank, lobte die Entscheidung als „innovativ“ und als Versicherungsmaßnahme, um die aktuelle positive wirtschaftliche Lage zu verlängern. Hooper, der fast 30 Jahre bei der Fed gearbeitet hat, betonte, dass Powell eine weiche Landung der Wirtschaft sicherstellen wolle.

Diese mutige Entscheidung der Fed, nur wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl im November, hat jedoch unvermeidlich Kritik auf sich gezogen. Unter anderem hat Donald Trump geäußert, die Zinssenkung sei entweder aus politischen Gründen erfolgt, um seiner Konkurrentin Kamala Harris zu helfen, oder weil die Wirtschaft in einem „sehr schlechten“ Zustand sei.

Für Powell markiert diese Entscheidung einen Wendepunkt in seiner Amtszeit, die von der globalen Pandemie, der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression und massiven Regierungsinterventionen geprägt war. Trotz der Kritik hat Powell es geschafft, die Inflation nahezu auf das 2-Prozent-Ziel der Fed zu drücken, während das Wirtschaftswachstum stabil blieb.

In seiner Erklärung nannte Powell die Zinssenkung eine „Neukalibrierung“ der Geldpolitik, um den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen, in denen der Preisdruck nachlässt und die Arbeitsmarktnachfrage abkühlt, gerecht zu werden. Historisch gesehen hat die Fed nur in Ausnahmesituationen wie der COVID-19-Krise oder 2022, als die Inflation fehlerhaft diagnostiziert wurde, von ihrer traditionellen schrittweisen Zinsanpassung abgewichen.

Die Entscheidung spiegelt das Bestreben der Fed wider, eine unnötige Rezession zu vermeiden und die Balance der Risiken für die Wirtschaft zu wahren. Tiffany Wilding, Volkswirtin bei Pimco, betonte, dass die Fed sich des Risikomanagements bewusst sei und daher die Zinsen näher an das neutrale Niveau bringen wolle.

Als nächstes steht für die Fed die Frage im Raum, wie schnell die Zinsen gesenkt werden sollten, um dieses neutrale Niveau zu erreichen. Die Projektionen der Fed zeigen eine breite Streuung der Meinungen über die zukünftige Zinsentwicklung, was die Konsensbildung im FOMC erschwert. Die politische Landschaft und die bevorstehende Präsidentschaftswahl tragen ebenfalls zur Komplexität der Entscheidung bei.

Jean Boivin, ehemaliger stellvertretender Gouverneur der Bank of Canada und derzeit Leiter des BlackRock Investment Institute, warnte davor, dass der Zinssenkungszyklus möglicherweise kürzer ausfallen könnte als von den Finanzmärkten erwartet. Marktteilnehmer preisen bereits weitere Zinssenkungen bis Ende des Jahres ein, womit sie auf 4-4,25 Prozent fallen könnten. Bis Mitte 2025 wird ein Rückgang auf unter 3 Prozent erwartet.

Boivin äußerte Zweifel an der Nachhaltigkeit des Zinssenkungszyklus und betonte, dass dies eher eine Rücknahme der Straffung als der Beginn eines neuen Zyklus sei.