Innenministerin Nancy Faeser hat genug vom ewigen Hin und Her: Sie will die Liste sicherer Herkunftsländer erweitern – ohne auf das Veto der Grünen im Bundesrat Rücksicht nehmen zu müssen.
Über eine neue gesetzliche Regelung plant das Bundesinnenministerium, Länder wie Tunesien, Algerien oder Marokko als sicher einzustufen. Der Kniff? Eine neue Liste, die ohne Bundesrat funktioniert.
Wie Faeser das Verfahren ändern will
Bisher galt: Wollen Bund und Länder ein Land als „sicheres Herkunftsland“ festlegen, braucht es das Okay des Bundesrats.
Das scheiterte regelmäßig an den Grünen, die Bedenken bezüglich der Menschenrechte in den betreffenden Staaten äußern. Jetzt hat Faesers Ministerium einen Trick im Gesetzesentwurf versteckt, der das blockierte Verfahren umkrempeln soll.
Der Plan: Eine neue Liste soll entstehen – nicht für das Grundgesetz-Asyl, sondern für den sogenannten „internationalen Schutz“. Diese Liste könnte die Bundesregierung allein durch Verordnung beschließen, ohne das übliche Mitspracherecht der Länder. Damit entstünde eine zweite Liste sicherer Herkunftsstaaten, die der Bund in Eigenregie bestimmt.
Was steckt hinter der „zweiten Liste“?
Der Unterschied ist juristisch fein, aber politisch ein echter Coup: Die neue Liste würde Migranten betreffen, die internationalen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention suchen.
Das Grundgesetz-Asyl, das durch den Bundesrat abgesegnet werden muss, bliebe unangetastet. Doch in der Praxis betrifft das nur eine kleine Gruppe – der Großteil der Schutzsuchenden fällt unter internationalen Schutz.
Praktisch bedeutet das: Der bürokratische Weg, den die meisten Asylverfahren in Deutschland gehen, könnte stark verkürzt werden. Wer von der neuen Liste kommt, müsste sich erheblich mehr anstrengen, um nachzuweisen, warum das Herkunftsland für sie oder ihn nicht sicher ist.
Das würde die Verfahren beschleunigen und die Liste des Bundesrats auf dem Papier bestehen lassen – jedoch ohne große Bedeutung für die Mehrheit der Asylsuchenden.
Zustimmung und Kritik – ein Koalitionsspagat
Wie bei vielen Vorstößen in der Ampelkoalition gibt es Unterstützung und Widerstand zugleich. Die Union applaudiert Faeser, vor allem weil die SPD damit etwas umsetzen will, was CDU und CSU schon seit Jahren fordern.
„Endlich zeigt die SPD Einsicht,“ kommentiert Alexander Throm von der CDU und deutet zugleich an, dass das Projekt auch am Widerstand in der eigenen SPD-Fraktion oder der grünen Koalitionspartnerin scheitern könnte.
Aus der SPD kommt Zustimmung: Dirk Wiese, SPD-Fraktionsvize, spricht von einem „guten und wichtigen Schritt“, der den Prozess transparenter und effizienter machen könnte. Gleichzeitig mahnt er an, dass die Änderungen das Verfahren nicht komplizierter machen sollten. Eine Verlängerung der Verfahren lehnt er ab.
Grünen-Politiker, allen voran Julia Pahlke, äußern sich jedoch vorsichtig. Für sie geht es um weitreichende Konsequenzen für Betroffene und um den Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien. Ein so sensibler Bereich dürfe nicht einfach per Verordnung entschieden werden, sondern gehöre in die öffentliche Debatte und ins Parlament.
Schneller, aber auch undemokratischer?
Kritiker fragen sich, ob diese Änderung ein Angriff auf die demokratischen Prozesse ist. Wenn Bundestag und Bundesrat außen vor sind, könnte die Regierung allein entscheiden, welche Länder als „sicher“ gelten – ohne dass es dabei eine parlamentarische Debatte oder eine Mitsprache der Länder gäbe.
Europapolitiker Erik Marquardt von den Grünen warnt, dass eine solch undurchsichtige Entscheidung Minderheitenschutz untergraben könnte. Eine offene Diskussion und Sachverständigen-Anhörungen seien das Mindeste.
Für die meisten Asylbewerber würde das neue Verfahren dazu führen, dass sie schneller erfahren, ob ihr Antrag abgelehnt wird. Denn sobald sie von der neuen Liste stammen, müssten sie im Verfahren belegen, dass ihr Land nicht sicher ist.
Gelingt das nicht, droht eine schnelle Abschiebung – auch wenn über ihre Klagen noch nicht entschieden ist. Diese Asylbewerber dürften während des Verfahrens nicht arbeiten und müssten in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, was ihre Integration erschwert.
Was bleibt? Ein juristischer Drahtseilakt
Faesers Vorschlag steht noch ganz am Anfang, die Bundesregierung hat sich nicht geeinigt, und der Bundestag muss dem GEAS-Anpassungsgesetz zunächst zustimmen. Doch gelingt Faeser dieser Coup, wäre das ein strategischer Sieg in der Migrationspolitik – und eine mögliche Lösung im Koalitionsstreit über sichere Herkunftsländer. Ob die SPD damit die Zustimmung der Grünen gewinnt, bleibt offen.
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