Die deutsche Wirtschaft leidet unter einem akuten Fachkräftemangel. Um diese Lücke zu schließen, ist Einwanderung unumgänglich. Ab diesem Samstag tritt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz schrittweise in Kraft. Die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), betonte, dass Deutschland damit im weltweiten Vergleich an der Spitze stehe. Doch was steckt hinter dem Gesetz? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick: Ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bereits in Kraft? Ja, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde von der schwarz-roten Koalition bereits im März 2020 beschlossen. Aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels und der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde es nun reformiert, um den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Warum hat das Gesetz von 2020 nicht die gewünschte Wirkung erzielt? Laut Pau Palop-García vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) lag dies unter anderem an der Corona-Pandemie. Zudem war der bürokratische Aufwand für Ausländer, die als Erwerbsmigranten nach Deutschland kommen wollten, immer noch hoch. Was ist neu an dem Gesetz? Eine Neuerung ist die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zur Auswahl bestimmter Einwanderer, die den Weg über die Chancenkarte wählen, werden Kriterien wie Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug herangezogen. Außerdem müssen ausländische Fachkräfte ein Mindestgehalt von rund 43.800 Euro pro Jahr verdienen, anstelle der bisherigen 58.400 Euro. Welche Regelung gibt es für Asylbewerber? Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 nach Deutschland gekommen sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot vorweisen können, haben die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft zu beantragen, wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen. Bisher mussten sie dafür ausreisen und sich vom Ausland aus um ein Arbeitsvisum bemühen. Wer darf mitgebracht werden? Hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland dürfen künftig nicht nur ihren Ehepartner und ihre Kinder, sondern auch Eltern und Schwiegereltern mitbringen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Lebensunterhalt für die Angehörigen gesichert ist. Sozialleistungen können von den Eltern nicht beantragt werden. Ein Blick auf den aktuellen Arbeitsmarkt zeigt, dass in Deutschland derzeit rund 1,73 Millionen offene Stellen unbesetzt sind, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer Quartalsabfrage festgestellt hat. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnet allein im Oktober 748.665 unbesetzte Stellen. Die durchschnittliche abgeschlossene Vakanzzeit, also die Zeit, die benötigt wird, um eine Stelle zu besetzen, beträgt laut BA derzeit 153 Tage. Das spiegelt die Schwierigkeiten vieler Unternehmen wider, passende Arbeits- und Fachkräfte trotz steigender Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zeitnah zu finden. In der Pflege und im Handwerk herrscht ein akuter Personalmangel. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht im neuen Gesetz jedoch keine Lösung für dieses Problem. Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des DBfK, erklärte, dass der Fachkräftemangel in den Pflegeberufen weltweit ein Problem sei und die Rahmenbedingungen in Deutschland für Pflegefachpersonen nicht attraktiv genug seien. Auch Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), äußerte Bedenken. Seiner Meinung nach fehlt es vor allem kleinen und mittelständischen Betrieben an konkreten Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei der Suche und Rekrutierung von handwerklich qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland sowie bei deren Integration vor Ort. Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), befürwortet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, sieht aber noch strukturelle Probleme wie die schlechte Bezahlung und die ungünstigen Arbeitsbedingungen in Bereichen mit großem Fachkräftemangel. Es gelte nun, vorhandene Potenziale besser auszuschöpfen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bezeichnete das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als ein wichtiges Willkommenssignal. Sie wies jedoch darauf hin, dass die Migrationsverwaltung bereits jetzt völlig überlastet sei und es monatelange Wartezeiten für Arbeitskräfte gebe, die bereits einen Arbeitsvertrag haben und starten könnten. Um Menschen im Ausland, die an einer Arbeit in Deutschland interessiert sind, zu unterstützen, bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Beratungen an. Im vergangenen Jahr gab es eine Steigerung von 13 Prozent bei den Beratungen zur Fachkräfteeinwanderung im Vergleich zum Vorjahr, insgesamt wurden 71.409 Beratungen angeboten. Trotz der schwierigen Sprache ist Deutschland bei Fachkräften im Ausland sehr beliebt, wie Sekou Keita vom IAB betont. In Umfragen belegt Deutschland häufig den dritten Platz in Bezug auf berufliche Möglichkeiten, knapp hinter Kanada und den USA. Das starke Image der deutschen Wirtschaft wirkt hierbei sehr attraktiv.