Die Europäische Zentralbank (EZB) steht offenbar kurz davor, eine erneute Zinssenkung vorzunehmen – eine Möglichkeit, die vor wenigen Wochen noch kaum in Erwägung gezogen wurde. Jüngste Daten lassen auf eine schwächelnde Konjunktur im Euro-Raum schließen, was die Hoffnung auf raschere Zinssenkungen anfeuert. Noch vor einem Monat galt eine Senkung als unwahrscheinlich, nun rechnen Händler mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit für einen Rückgang um 25 Basispunkte.
Im September zeigte sich unerwartet ein Rückgang der Geschäftstätigkeit im Euro-Raum, was die Erwartungen für einen Zinsschritt im Oktober erheblich steigerte. Dies führte zu Befürchtungen, die EZB könne bei ihrer datengestützten Strategie mögliche Fehlentscheidungen treffen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat angedeutet, dass ein Rückgang der Inflation die Entscheidung der Bank reflektieren könnte.
Während Händler mit weiteren Zinsschritten rechnen, zögern die Entscheidungsträger der EZB noch. Der finnische Zentralbankgouverneur Olli Rehn erklärte, dass Tempo und Umfang weiterer Schnitte von Sitzung zu Sitzung entschieden würden. AXA-Ökonom Gilles Moec erwartet, dass die Dezember-Sitzung einen Wendepunkt darstellen könnte.
Die Inflation, einst ein Hauptanliegen, ist unter das 2%-Ziel gefallen, was bei Händlern Optimismus auslöst, dass das Preiswachstum kontrollierbar bleibt. Dennoch sind nicht alle Risiken gebannt: Der Dienstleistungssektor hält sich noch bei 4% Inflation, und der aktuelle Rückgang ist maßgeblich auf sinkende Energiepreise zurückzuführen.
Stagnationsrisiken rücken zunehmend ins Zentrum, obwohl die EZB offiziell nur das Inflationsziel verfolgt. Ein wirtschaftlicher Aufschwung wird prognostiziert, doch einige Experten sehen diese Einschätzungen als zu optimistisch. AXA warnt, dass ein Ausbleiben der Erholung dazu führen könnte, dass die Inflation unter dem Ziel bleibt.
Geopolitische Risiken, insbesondere steigende Ölpreise angesichts des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah, wirken als zusätzliche Wachstumshemmnisse. BNP Paribas betont, dass die niedrige Inflation der EZB gewisse Spielräume lässt, kurzfristige energiegetriebene Preisanstiege zu tolerieren. Allerdings könnten mögliche Handelshemmnisse nach den US-Wahlen neue Herausforderungen mit sich bringen.