Zins runter, Sorgen bleiben
Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Einlagesatz erneut gesenkt – von 2,50 auf 2,25 Prozent. Es ist der siebte Zinsschritt seit Mitte 2024. Offiziell heißt es, die Inflation sei fast wieder im Zielkorridor, nun könne man wieder stärker auf die Konjunktur schauen.
Doch der Zeitpunkt wirft Fragen auf. Denn während die EZB an der Geldpolitik feilt, bringt Donald Trump mit seiner nächsten Zollrunde das weltwirtschaftliche Gefüge ins Wanken.
Trump provoziert, Europa reagiert
Der 2. April war für Trump ein symbolischer Tag: „Tag der Befreiung“, so nannte er ihn – und verhängte pauschale Zölle von 20 Prozent auf zahlreiche Länder. Für die EU gibt es zwar eine 90-tägige Atempause, doch China trifft es sofort.
Und die Eurozone? Zittert. Denn was als protektionistischer Muskeltest begann, könnte rasch zur globalen Wachstumskrise werden.
Für die EZB ist das ein Dilemma. Der Zinsschritt soll Investitionen erleichtern, den Konsum stärken. Aber was nützt billiges Geld, wenn die wirtschaftliche Unsicherheit wächst?
Industrie atmet auf – aber leise
In Deutschland kommen die Neuigkeiten zumindest in Teilen der Wirtschaft gut an. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer spricht von einem „wichtigen Signal“, das Unternehmen etwas Luft verschaffe. Günstige Kredite könnten helfen, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch es klingt nicht nach Aufbruch – eher nach Schadensbegrenzung.

Der Bundesverband deutscher Banken bleibt skeptisch. Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff warnt vor zu viel Aktionismus. Die EZB dürfe nicht auf jeden Impuls aus Washington mit geldpolitischem Aktionismus antworten. Noch sei völlig unklar, wie sich die Handelskonflikte mittelfristig auf die Inflation auswirkten.
Ein zäher Frühling
Tatsächlich gab es zuletzt leichte Aufhellungen. Laut S&P Global wuchs die Industrieproduktion im Euroraum im März erstmals seit zwei Jahren wieder. Auch der Dienstleistungssektor legte zu – wenn auch minimal.
Doch bei einem Quartalswachstum von gerade mal 0,2 Prozent spricht niemand von einer Wende. „Zaghafte Stabilisierung“ trifft es besser.
Lena Dräger vom Kieler Institut für Weltwirtschaft bringt es auf den Punkt: „Das ist kein Befreiungsschlag.“ Vielmehr versuche die EZB, ihre Linie fortzusetzen – mit vorsichtigen Schritten in Richtung Normalisierung. Ihrer Meinung nach wäre ein stärkerer Zinsschritt sinnvoller gewesen. Doch der Rat bleibt vorsichtig – wohl auch, weil er selbst nicht weiß, wie sich die Lage entwickelt.
Risiken überall
Die Lage ist kompliziert: Die Inflation ist zwar zurückgegangen, doch die globalen Rahmenbedingungen sind unberechenbar. Trump dominiert die Schlagzeilen, China wird wirtschaftlich ausgegrenzt, die Konjunktur in Europa dümpelt. Und mittendrin die EZB – zwischen Stabilitätsversprechen und Marktberuhigung.
Die Botschaft der Zentralbank: Man werde von Sitzung zu Sitzung entscheiden, je nach Datenlage. Das klingt nach Flexibilität, wirkt aber eher wie Unsicherheit. Christine Lagarde versucht zu moderieren, was sich kaum noch steuern lässt.
Geldpolitik auf Sichtflug
Die EZB hat erneut geliefert – aber niemand weiß, ob es reicht. Die Zinssenkung wirkt wie eine Absicherung gegen das Ungewisse. Ein Impuls, der mehr Vertrauen als Wachstum erzeugen soll. Ob das gelingt, hängt nicht nur von Frankfurt ab, sondern auch von Washington, Peking und den Chefetagen der europäischen Unternehmen.
Eine stabile Konjunktur braucht mehr als günstiges Geld. Sie braucht Vertrauen. Und das ist in Zeiten erratischer Handelskriege und geopolitischer Machtspiele schwerer zu erzeugen als jeder Zinsschritt.
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