18. September, 2024

Wirtschaft

EZB senkt Einlagenzins – Ökonomen debattieren über künftigen Zinspfad

EZB senkt Einlagenzins – Ökonomen debattieren über künftigen Zinspfad

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf die sich abschwächende Inflation im Euroraum reagiert und den richtungsweisenden Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent gesenkt. Mit diesem Schritt setzt die EZB ihre im Juni begonnene Zinswende fort, obwohl die Wirtschaft im Euroraum laut aktueller Einschätzung der Notenbank schwächer wachsen könnte als bislang erwartet.

Michael Heise, Chefvolkswirt bei HQ Trust, hält die Zinssenkung für angemessen und prognostiziert eine weitere Senkung bis zum Jahresende. Dennoch rechnet er damit, dass der Zinspfad in 2025 weniger stark nach unten gehen wird als es gegenwärtig an den Finanzmärkten erwartet wird.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank, betont, dass die EZB weiterhin stark datenabhängig agieren wird. Die neuen Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabes der EZB, die im Dezember erwartet werden, könnten den Zeitpunkt für die nächste Zinssenkung bestimmen. Der Preisdruck im Dienstleistungssektor sei jedoch weiterhin zu hoch, um schnelle Zinssenkungen zu rechtfertigen.

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der ING Bank, erwartet, dass die EZB das Tempo weiterer Zinssenkungen im nächsten Jahr erhöhen wird. Aktuelle Lohnverhandlungen in Deutschland und steigende Verkaufspreiserwartungen deuten noch auf zähe Inflation hin, was eine schnellere Zinssenkung in diesem Jahr verhindert.

Jens-Oliver Niklasch, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg, sieht die EZB unsicher im weiteren Ausblick. Die Risiken für die Inflationsprojektion scheinen ausgeglichen, was für ein langsames Vorgehen spricht. Eine längere Pause bei den Zinsanpassungen könnte in Betracht gezogen werden, falls Inflationsrisiken wieder ansteigen.

Ulrich Wortberg, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen, betont die Datenabhängigkeit der Entscheidungen und spekuliert auf einen erneuten Zinsschritt im Dezember. EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte bei der Pressekonferenz darauf hinweisen, dass man sich alle Optionen offenhält.

Maximilian Kunkel, Anlagestratege bei der UBS, findet die Zinskürzung wenig überraschend. Er bemängelt jedoch, dass die EZB angesichts der fallenden Inflation keine klareren Signale für künftige Zinssenkungen gegeben hat. Dies sollte den Euro gegenüber dem US-Dollar stützen.

Jan Viebig, Anlagestratege bei ODDO BHF, warnt, dass die Inflation, insbesondere im Dienstleistungssektor, noch nicht besiegt sei. Er betont, dass die Geldpolitik nicht die Aufgabe habe, strukturelle Probleme in der europäischen Wirtschaftspolitik zu lösen und dass eine zu schnelle Zinssenkung Risiken birgt.