15. Januar, 2025

Wirtschaft

EZB: Lagarde bewahrt sich Handlungsspielraum in Zinsfrage

EZB: Lagarde bewahrt sich Handlungsspielraum in Zinsfrage

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einer ungewissen Zukunft hinsichtlich der Zinspolitik, da Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kollegen auf wichtige Wirtschaftsdaten warten, um künftige Schritte zu bewerten. Die EZB hat am Donnerstag den Leitzins um 0,25% gesenkt – das zweite Mal in diesem Jahr – und bekräftigte, dass sie sich nicht auf einen bestimmten Kurs für die Zinssätze festlegen werde. Lagarde bemerkte lediglich, dass die Abwärtstendenz 'ziemlich offensichtlich' sei.

Begleitend zur Zinsentscheidung wurden die Wachstumsprognosen für die Eurozone in den nächsten drei Jahren leicht nach unten korrigiert, was auf ein sich verschlechterndes wirtschaftliches Umfeld hinweist. Diese Entwicklung sehen einige Analysten als Signal für beschleunigte Zinssenkungen. Zugleich wurde die Prognose für die zugrunde liegende Inflation für 2024 und 2025 leicht erhöht, was den Markt veranlasste, die Wetten auf eine Zinssenkung im nächsten Monat zu reduzieren.

Kevin Thozet, Mitglied des Anlageausschusses bei Carmignac, merkte an, dass Lagardes mangelnde Orientierung und die Anpassung der Inflationsprognosen aufwärts, sowie die Wachstumsprognosen abwärts, keine baldige Klarheit erwarten lassen. Die Abhängigkeit von Daten bleibt zentral.

Der Geldmarkt bewertet die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Oktober nun mit 20%, statt der zu Wochenbeginn geschätzten 40%. Insider berichten, dass eine Bewegung im Oktober nicht völlig ausgeschlossen ist, aber eher unwahrscheinlich.

David Powell, leitender Eurozonen-Ökonom bei Bloomberg Economics, äußerte, dass der EZB-Rat wahrscheinlich dem Druck widerstehen wird, im Oktober erneut zu handeln, und bis Dezember warten wird, wenn mehr Daten über den Preisdruck vorliegen.

Lagarde warnte zudem, dass die Lohnsteigerungen hoch und volatil bleiben werden, obwohl das Gesamtkostenwachstum moderater ausfallen dürfte. Die wirtschaftliche Erholung sieht sich 'Gegenwinden' ausgesetzt, und die Risiken bleiben überwiegend negativ. Eine weniger restriktive Geldpolitik sollte jedoch letztlich den Konsum und die Investitionen unterstützen.

Trotz der lang versprochenen Belebung der privaten Ausgaben ist diese noch nicht eingetreten. Geoffrey Yu, Senior Strategist bei BNY, sagte, der Ausblick werde zunehmend stagflationär, insbesondere angesichts der jüngsten Daten aus Deutschland, die die Wachstumsrisiken weiter nach unten verschieben.

Andere sehen die schwächelnde Wirtschaft ebenfalls als Faktor, der die Preissteigerungen nach unten zieht, was eine Rückkehr zu den Zeiten vor der Pandemie mit unzureichender Inflation wahrscheinlich macht. Goldman Sachs prognostiziert wöchentliche Zinssenkungen im nächsten Jahr, bis im Juli die Marke von 2% erreicht ist.

In den USA wird erwartet, dass die Federal Reserve nächste Woche ebenfalls Maßnahmen zur Lockerung der Geldpolitik einleitet, ähnlich wie die EZB und die Bank of England. Seema Shah, Chefstrategin bei Principal Asset Management, hält es für wahrscheinlich, dass die EZB den schnellen Zinssenkungen der Fed Anfang 2025 folgen wird.

Aktuell bleibt die Zukunft ungewiss, da vor der Entscheidung im Oktober nur wenige harte Wirtschaftsdaten erwartet werden. In Ermangelung klarer Hinweise, bleibt es Beobachtern überlassen, die bestehenden Informationen sorgfältig zu analysieren – ganz wie die EZB selbst.

Lagarde betonte am Donnerstag: 'Wir werden datenabhängig bleiben. Ein fallender Pfad ist weder in Bezug auf die Abfolge noch in Bezug auf das Volumen vorbestimmt.'