Die Europäische Zentralbank sieht sich in einem Spannungsfeld bei der zukünftigen Zinspolitik. Laut Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums, sollten Zinssenkungen mit Bedacht und nicht übermäßig schnell erfolgen, da die aktuellen Finanzierungskosten nahe einem Niveau seien, das die Wirtschaft nicht mehr bremst. Gefährdet man diesen Balanceakt durch übermäßige Lockerungen, könne dies kontraproduktiv werden, warnte die als eher straff geltende Notenbankerin.
Schnabel plädiert daher für einen schrittweisen Ansatz, um die sogenannten neutralen Zinsgrenzen nicht unnötig zu unterschreiten, was wertvolle Handlungsspielräume einengen könnte. In ihrem Frankfurter Büro erklärte sie, dass bei anhaltend positiven Daten eine Annäherung an den neutralen Bereich, den sie bei 2% bis 3% verortet, möglich sei. Solche Schätzungen liegen über den eher expansiveren Vorstellungen von Kollegen wie Yannis Stournaras aus Griechenland und Mario Centeno aus Portugal.
Nach Schnabels Kommentaren korrigierten Finanzmärkte ihre Erwartungen an die EZB-Politik, und der Euro stieg um 0,5% auf ein Sitzungs-Hoch von $1,054 an, während zweijährige deutsche Anleiherenditen frühe Verluste wettmachten. Diese Äußerungen verstärken die Debatten darüber, wie die EZB vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Eurozonen-Wirtschaft reagieren sollte. Die Inflation nähert sich schneller als erwartet dem 2%-Ziel, bringt jedoch auch Unsicherheiten mit sich.
Besonders die Diskussion um die Geschwindigkeit der Anpassungen wird hitziger, erschwert durch globale Unsicherheiten und mögliche Handelsschranken, insbesondere falls Donald Trump erneut das Weiße Haus beziehen sollte. Schnabel erkannte an, dass die Einschätzungen der Investoren nicht ihren Prognosen entsprächen, betonte aber ihr starkes Präferenz für eine vorsichtige Annäherung und wies jegliche Spekulationen über schnelle Halbpunkt-Senkungen zurück.