Die Europäische Union steht am Scheideweg: Angesichts geopolitischer Spannungen und der Forderung nach einem schlagkräftigeren Verteidigungsbündnis ringt der Block um eine zuverlässige Finanzierung von hunderten Milliarden Euro. Während der Konsens über die Notwendigkeit gestiegener Verteidigungsausgaben weitgehend besteht, bleibt die Frage, wie diese finanziert werden könnten, umstritten. Vorschläge wie die Aufstockung nationaler Budgets, gemeinschaftliche EU-Anleihen oder der Aufbau neuer Finanzierungsinstrumente stehen vor finanzpolitischen, politischen und marktbedingten Hürden.
Die Verteidigungsausgaben der EU müssten in den kommenden zehn Jahren auf etwa 500 Milliarden Euro ansteigen, um allein ein Luftverteidigungsprogramm zu decken, wie der neue Verteidigungschef betont. Neben dem russischen Druck und potenziellen Bedrohungen für EU-Länder, unterstrich NATO-Chef Mark Rutte die Notwendigkeit einer "Kriegsmentalität" innerhalb des Bündnisses. Er forderte, das Ausgabenverhältnis von derzeit 2% des BIP anzuheben, um dem von Trump verfolgten 3%-Ziel näher zu kommen.
Mit Blick auf die nationalen Haushalte und deren begrenzten Spielraum zur Erhöhung der Militärausgaben stellt sich die Frage, welche Länder wie viel investieren können. Während Deutschland Potenzial für Erhöhungen sieht, kämpft Frankreich mit politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Spanien und Italien hinken noch weiter hinterher, während Polen bereits doppelt so viel wie die NATO-Vorgaben plant und seine finanziellen Ressourcen damit stark beansprucht.
Inmitten dieser Diskussionen fallen zwei mögliche Modelle für die Finanzierung auf: Zum einen eine Anleiheemission der EU nach dem Vorbild des COVID-19-Erholungsfonds, zum anderen ein neues Finanzierungsinstrument, das auf dem europäischen Rettungsschirm basiert. Beide Optionen stehen jedoch vor skeptischen Mitgliedsstaaten und Investoren, die höhere Zinsen bei einem neuen Anleiheemittenten erwarten würden.
Dennoch sehen viele Befürworter der gemeinsamen EU-Anleihen hier eine Chance zur stärkeren Integration und langfristigen Absicherung Europas. Die potenzielle Einbindung von Nicht-EU-Ländern könnte zudem die Attraktivität solcher Instrumente erhöhen. Doch so verlockend die Vision auch sein mag, markiert sie einen Balanceakt zwischen benötigten Investitionen und machbarer Umsetzung.