14. März, 2025

Börse

Europas Nebenwerte im Aufwind

Milliardenschwere Investitionen, geopolitische Unsicherheit und eine nachlassende US-Wirtschaft lenken den Blick auf europäische Nebenwerte. Sind sie die heimlichen Gewinner des aktuellen Marktumfelds?

Europas Nebenwerte im Aufwind
Während US-Märkte unter Handelskriegen und wirtschaftlicher Unsicherheit leiden, verzeichnen europäische Nebenwerte Rekordzuflüsse – allein in vier Wochen flossen 12 Milliarden US-Dollar in europäische Märkte.

Lange Zeit spielten kleinere europäische Aktien nur eine Nebenrolle im internationalen Kapitalmarkt. Doch jetzt erleben sie eine Renaissance. Während die US-Wirtschaft mit geopolitischen Unsicherheiten, protektionistischen Maßnahmen und einer nachlassenden Wachstumsdynamik kämpft, werden europäische Unternehmen zunehmend als attraktive Alternativen betrachtet.

Besonders profitieren könnten die sogenannten Nebenwerte – kleinere börsennotierte Unternehmen, die oft übersehen werden, aber jetzt verstärkt in den Fokus der Investoren rücken.

Kapitalströme drehen sich: Milliarden fließen nach Europa

Die jüngsten Marktbewegungen sprechen eine klare Sprache: Investoren verlagern ihr Kapital nach Europa. Laut Bank of America flossen allein in den letzten vier Wochen über 12 Milliarden US-Dollar in europäische Aktien – so viel wie seit August 2015 nicht mehr.

Der Grund? Ein Mix aus wirtschaftlichen Impulsen durch milliardenschwere Investitionsprogramme und die zunehmende Unsicherheit über die Stabilität der US-Wirtschaft.

Besonders betroffen ist die Tech-Branche in den USA. Während Unternehmen wie Nvidia und Microsoft nach Jahren des Höhenflugs in eine Seitwärtsbewegung übergegangen sind, hinkt der S&P 500 seit Trumps erneuter Wahl deutlich hinterher.

Die Unvorhersehbarkeit neuer Handelszölle und protektionistischer Maßnahmen sorgt für Zurückhaltung bei Anlegern. Europäische Unternehmen hingegen profitieren von langfristigen Infrastruktur- und Verteidigungsinvestitionen – ein Trend, der gerade kleineren Unternehmen neue Chancen eröffnet.

Große Rüstungskonzerne wie Rheinmetall sind teuer, doch kleinere Unternehmen aus der zweiten Reihe wie Indra Sistemas oder Hensoldt könnten das größere Potenzial bieten – eine Wette auf Europas Aufrüstung.

Warum Nebenwerte? Die Vorteile auf einen Blick

Nebenwerte, also Aktien kleinerer und mittelgroßer Unternehmen, haben in Krisenzeiten oft einen entscheidenden Vorteil: Sie sind flexibler als große Konzerne, schneller anpassungsfähig und oft weniger von geopolitischen Spannungen betroffen. Viele dieser Unternehmen generieren einen Großteil ihres Umsatzes innerhalb Europas, was sie weniger anfällig für externe Schocks macht.

Laut DZ Bank erzielen MDAX-Unternehmen im Schnitt 25 Prozent ihrer Umsätze in Deutschland, bei SDAX-Unternehmen sind es sogar 40 Prozent. Diese lokale Verwurzelung macht sie für Anleger besonders attraktiv, da sie nicht so stark von Handelskriegen oder schwächelnden Überseemärkten betroffen sind.

Ein weiterer entscheidender Faktor: die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die jüngste Senkung des Leitzinses auf 2,5 Prozent spielt Nebenwerten direkt in die Karten, da sie traditionell stärker fremdfinanziert sind als große Konzerne. Niedrigere Zinsen bedeuten niedrigere Finanzierungskosten – und damit bessere Wachstumsperspektiven.

Sektoren mit Potenzial: Wer sind die Gewinner?

1. Rüstungsindustrie – Die stille Konjunktur des Militärs

Die Rüstungsbranche ist einer der größten Profiteure der aktuellen geopolitischen Unsicherheiten. Während große Namen wie Rheinmetall bereits stark gestiegen sind, könnten kleinere Rüstungswerte noch größeres Potenzial haben.

Ein Beispiel ist Indra Sistemas, ein spanischer Spezialist für Radartechnologie und militärische Kommunikation. Das Unternehmen hat kürzlich Aufträge in Höhe von 13 Millionen Euro erhalten und profitiert von den steigenden Verteidigungsbudgets in Europa.

2. Infrastruktur – Europas Milliardeninvestitionen kommen an

Mit den geplanten Milliarden für Infrastrukturprogramme der EU profitieren auch Bau- und Logistikunternehmen. Wienerberger, einer der größten Hersteller von Baustoffen in Europa, steht dabei besonders im Fokus. Das Unternehmen plant, eine zentrale Rolle im Wiederaufbau der Ukraine zu spielen – eine Entwicklung, die nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich attraktiv ist.

Ein weiteres Unternehmen, das vom Infrastrukturboom profitiert, ist Konecranes aus Finnland. Der Kranspezialist beliefert Häfen in ganz Europa mit modernster Ladetechnik und konnte seinen Nettogewinn im vergangenen Jahr um 33 Prozent steigern.

3. Technologie – Europäische Hidden Champions

Während die großen US-Tech-Konzerne in eine Phase der Unsicherheit eintreten, entwickeln sich in Europa vielversprechende Alternativen. Der deutsche Cloud-Dienstleister Ionos hat sich als sichere Alternative zu den US-Datenriesen positioniert. Mit einer klaren Fokussierung auf den europäischen Datenschutzstandard wächst das Unternehmen stabil und konnte seinen Umsatz 2024 um 8 Prozent steigern.

Ähnlich erfolgreich agiert der schwedische Technologiekonzern Bravida Holding AB, der mit nachhaltigen Gebäudelösungen stark von den steigenden Investitionen in Energieeffizienz profitiert. Die Expansionsstrategie durch gezielte Übernahmen hat das Unternehmen zu einem führenden Anbieter für Gebäudetechnik in Skandinavien gemacht.

Langfristige Perspektiven: Wird Europa zur neuen Investment-Oase?

Die Verschiebung der Kapitalströme nach Europa ist kein kurzfristiges Phänomen. Während die USA mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen und politischen Unsicherheiten kämpfen, bleibt Europa für viele Anleger ein stabiler Hafen. Besonders in den Bereichen Infrastruktur, Technologie und Verteidigung sind europäische Unternehmen gut positioniert, um langfristig zu profitieren.

Für Anleger, die nicht in Einzelwerte investieren möchten, gibt es zahlreiche Nebenwerte-Fonds und ETFs. Der Lupus Alpha Smaller German Champions konzentriert sich auf deutsche Mittelständler, während der Alken Small Cap Europe Fonds verstärkt französische und britische Werte in sein Portfolio aufnimmt.

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