Europa hat sein ehrgeizigstes Raumfahrtprogramm seit einem Jahrzehnt gestartet und ein Abkommen zur Errichtung eines Satellitennetzwerks im Wert von 10,6 Milliarden Euro unterzeichnet. Dieses Netzwerk soll Elon Musks Starlink Konkurrenz machen und Hochgeschwindigkeits-Konnektivität für europäische Regierungen und Bürger bereitstellen. Iris², die neue Multi-Orbit-Konstellation, markiert Europas drittes großes Infrastrukturprojekt im All nach dem Galileo-Navigationssystem und Copernicus, dem weltweit größten System zur Erdbeobachtung.
Dieses ambitionierte Projekt wurde vor zwei Jahren ins Leben gerufen, um den EU-Mitgliedsstaaten souveräne und sichere Kommunikationsdienste bereitzustellen und gleichzeitig den ins Stocken geratenen europäischen Raumfahrtsektor mit innovativer Technologie wiederzubeleben. Die Verhandlungen waren von Streitigkeiten über die steigenden Kosten und Risiken sowie über die Verteilung der Arbeiten geprägt. Am Montag taxierte die Europäische Kommission das Programm auf 10,6 Milliarden Euro, wobei 61 Prozent öffentlich finanziert werden. Der Rest stammt vom industriellen Konsortium SpaceRise, das von Eutelsat, Hispasat und SES angeführt wird.
Der Generaldirektor der Kommission für Verteidigung, Industrie und Raumfahrt, Timo Pesonen, hob die strategische Bedeutung des eigenständigen, raumbasierten Kommunikationsnetzwerks für Europa hervor. "Die autonome und sichere Konnektivität ist für die EU unerlässlich", betonte er. SpaceRise, bestehend aus europäischen Raumfahrt- und Kommunikationsfirmen wie Airbus, Deutsche Telekom, Telespazio und Thales, wird über einen Zeitraum von zwölf Jahren Iris² entwerfen, bauen und betreiben.
Das Projekt sieht vor, 290 Satelliten in niedrigen und mittleren Erdumlaufbahnen zu platzieren und die Betriebsaufnahme bis Anfang 2030 zu erreichen. Der Großteil der Kapazität wird für kommerzielle Breitbanddienste bereitgestellt, die von den Satellitenbetreibern an Unternehmen und Haushalte angeboten werden. Ein bedeutender Teil wird jedoch auch für sichere Dienste genutzt, die Regierungsanwendungen wie Überwachung und Krisenmanagement unterstützen.
Der stark verschuldete französische Satellitenbetreiber Eutelsat, der auf Iris² zählt, um die Entwicklung seiner nächsten Generation von OneWeb-Satelliten zu finanzieren, investiert 2 Milliarden Euro in das Projekt. Eva Berneke, die Geschäftsführerin, betonte, dass die Investition begrenzt sei und erst ab 2028 erforderlich werde, wenn die Produktion beginnt. Die für Iris² entwickelte Technologie könnte jedoch früher in die neuen Satelliten von OneWeb integriert werden.
Das Programm könnte einen Strom von Verträgen für die europäische Raumfahrtindustrie bieten, die darum kämpft, sich dem Wandel von großen Kommunikationssatelliten in geostationären Bahnen hin zu Mega-Konstellationen kleinerer Raumfahrzeuge in niedrigen Erdumlaufbahnen anzupassen. In den letzten Monaten haben Thales und Airbus aufgrund der rückläufigen Nachfrage nach geostationären Geschäftszweigen Tausende von Stellenstreichungen angekündigt.
Eine Analyse des ehemaligen italienischen Premierministers Mario Draghi stellte fest, dass Musks Starlink-Dienst europäische Telekommunikationsbetreiber und Hersteller beeinträchtigt. Der kommerzielle und Exportverkauf in diesem Sektor ist auf das Niveau von 2009 gefallen und die EU liegt hinter den USA sowohl im Bereich der Raketentriebwerke als auch bei Mega-Konstellationen für Kommunikations- und Satellitenanwendungen zurück.
Der Direktor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), Josef Aschbacher, sieht im Programm von Iris² ein Mittel, um Innovationen in der europäischen Raumfahrtindustrie zu fördern und die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig könnten mögliche Partner wie Frankreich und Deutschland Differenzen überwinden, da die EU plant, mehr Wettbewerb in die Beschaffung von Weltraumtransport- und Frachtdiensten einzuführen.
Laut Philippe Baptiste, Präsident der französischen Raumfahrtagentur CNES, würden Verträge im Iris²-Programm nicht basierend auf den Investitionen einzelner Nationen vergeben. Vielmehr sollen die Satellitenbetreiber die wettbewerbsfähigsten Lieferanten auswählen können.