Unter dem Druck des digitalen Rückstands zu den USA richtet sich der Blick europäischer Telekommunikationsriesen geschlossen auf einen radikalen Kurswechsel in der Politik. Auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona haben Telekom, Vodafone, Telefónica und Orange, die großen Akteure der europäischen Mobilfunkbranche, auf die dramatischen Investitionsunterschiede zur digitalen Infrastruktur hingewiesen. Laut Tim Höttges, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, investiere Europa lediglich 109 Euro pro Kopf, wohingegen die USA mit 240 Euro mehr als das Doppelte in diesen Bereich fließen lassen. Diese Diskrepanz sieht er als klares Warnsignal.
Bis vor einige Jahren habe man den Anschluss halten können, erklärte der Magenta-Konzernchef. Seitdem sei jedoch der Datenverkehr in Europa sprunghaft gestiegen, insbesondere durch Dienste von amerikanischen Technologiegiganten wie Google, Meta und Netflix. Obwohl diese Unternehmen eine erhebliche Datenlast verursachen, entrichten sie keine Gebühren für die Nutzung der Netze – ein langjähriger Streitpunkt zwischen europäischen Netzbetreibern und den Big-Tech-Firmen.
Die Forderung der europäischen Telekommunikationsmanager nach einer 'fairen Beteiligung' der US-Unternehmen bleibt bisher unerfüllt, trotz der Hoffnung auf eine entsprechende Gesetzgebungsinitiative der EU-Kommission. Dass sich die Spitzen der vier größten Telekommunikationsunternehmen Europas gemeinsam auf einer Bühne zeigen, um ihren Appell an die Politik zu verstärken, darf als starkes Signal interpretiert werden.
Die Gründe für die geringen Investitionen in Europa werden klar benannt: ungünstige Rahmenbedingungen und ein fragmentierter Markt, der weit von einem einheitlichen Binnenmarkt entfernt ist. Nach Angaben von Höttges reichen die Gewinne vieler europäischer Telekommunikationsunternehmen nicht aus, um die getätigten Investitionen zu amortisieren. Strenge Kartellregelungen und ein intensiver Wettbewerb würden die notwendigen Konsolidierung und Investitionen stark behindern.
Der Ruf nach einem neuen Regulierungsrahmen wird lauter. José María Álvarez-Pallete, CEO von Telefónica, betont die treibende Rolle der Branche im digitalen Wandel. Margherita della Valle, die Vodafone-Chefin, fordert verbesserte Investitionsbedingungen, um Europa im digitalen Rennen nicht den Anschluss verlieren zu lassen. Der Bedarf eines neuen 'Deals', inklusive Vorhersehbarkeit bei den Kosten für Funkspektrum und gleichberechtigte Marktbedingungen, wird deutlich kommuniziert.
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung des Binnenmarkts treffen in der Branche auf Skepsis – die Vorstände vermissten insbesondere die Integration eines 'Fair Share'-Ansatzes in das Strategiepapier. Mit ihrem gemeinschaftlichen Auftritt setzen die Telekommunikationsführer ein Zeichen für notwendige Veränderungen.