18. Oktober, 2024

Politik

Europa setzt auf Abschiebungen: Syrien, Tunesien und Albanien als neue Partner?

Die EU verschärft ihre Migrationspolitik – und schreckt nicht vor Tabubrüchen zurück. Rückführungen und Kooperationen mit Drittstaaten rücken in den Fokus.

Europa setzt auf Abschiebungen: Syrien, Tunesien und Albanien als neue Partner?
Der jüngste Gipfel in Brüssel zeigt, dass Europa verstärkt auf Abschiebungen und Kooperationen mit Drittstaaten wie Tunesien und Albanien setzt – eine Kehrtwende in der bisherigen Migrationspolitik.

Am Donnerstagabend wehte in Brüssel ein neuer Wind: Bei einem EU-Gipfel wurde intensiv über Abschiebungen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten gesprochen. Begriffe wie „Ruanda-Modell“ oder „Tunesien-Abkommen“ fielen – Ideen, die lange tabu waren, aber nun in greifbare Nähe rücken. Ziel: Irreguläre Migration weiter eindämmen.

Seit Jahren ringt die EU mit der Frage, wie sie abgelehnte Asylbewerber schneller zurückführen kann. Doch die Lösung dieses Problems wird immer dringlicher, vor allem angesichts steigender politischer Spannungen in den Mitgliedsstaaten. Jetzt ist klar: Der Ton wird härter.

Schnellere Abschiebungen und neue Partner

Im Brüsseler Sitzungssaal ging es an diesem Abend um viel. 166.000 Migranten versuchten allein in den ersten neun Monaten des Jahres, illegal in die EU zu gelangen. Das sind zwar 42 Prozent weniger als im Vorjahr, doch die Regierungen wollen trotzdem handeln. Abschiebungen sollen schneller und effizienter ablaufen. Bundeskanzler Olaf Scholz brachte es auf den Punkt:

„Es kann nicht einfach jeder kommen.“

Besonders im Fokus: Rückführungen nach Syrien. Bisher kaum vorstellbar, dass die EU in das kriegsgebeutelte Land abgelehnte Asylbewerber zurückschickt. Doch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni treibt genau diese Idee voran. Sie fordert, die Beziehungen zu Damaskus zu normalisieren – was Rückführungen erleichtern würde. Andere EU-Staaten signalisieren Unterstützung, auch wenn Brüssel seit 2011 keine formalen Beziehungen mehr zu Syrien unterhält.

Abgelehnte Asylbewerber nach Syrien abzuschieben, gilt als umstritten. Dennoch setzt sich Italien für eine Normalisierung der Beziehungen zu Damaskus ein – trotz andauernder Konflikte im Land.

Albanien als Modell für Europa?

Das sogenannte „Ruanda-Modell“ Großbritanniens, bei dem Asylsuchende nach Ruanda ausgeflogen und dort auch nach einem positiven Bescheid bleiben sollten, gilt als gescheitert. Doch ein anderer Plan gewinnt an Fahrt: Melonis „Albanien-Lösung“.

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Albanien führt Asylverfahren für Italien durch, will jedoch für Deutschland nicht die gleiche Rolle übernehmen. Ministerpräsident Edi Rama sieht den Vorschlag skeptisch und kritisiert die europäische Flüchtlingspolitik.

Italien lässt Migranten nach Albanien bringen, wo ihre Asylanträge geprüft werden. Wer kein Bleiberecht erhält, wird abgeschoben, ohne jemals italienischen Boden betreten zu haben. Dieses Modell stößt in Brüssel auf positive Resonanz – die EU-Kommission zeigt sich erstmals offen für die Idee.


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Auch Tunesien wird für Europa immer wichtiger. Im Gegenzug für finanzielle Unterstützung aus Brüssel soll die tunesische Regierung verstärkt Migranten an der Abreise hindern. Dieser Deal könnte Vorbild für ähnliche Abkommen in der Zukunft sein.

Solidarität mit Polen

Polens harte Linie an der Grenze zu Belarus war ebenfalls Thema auf dem Gipfel. Die Regierung in Warschau plant, das Asylrecht an der Grenze weitgehend auszusetzen, um Migrantenströme zu stoppen. Diese Maßnahme wird in der EU mit Verständnis aufgenommen, nicht zuletzt wegen der wachsenden Angst, dass Russland und Belarus Migranten gezielt einsetzen, um politischen Druck auf die EU auszuüben.

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni treibt die „Albanien-Lösung“ voran. Migranten sollen außerhalb der EU auf ihre Asylverfahren warten – ein Modell, das zunehmend Unterstützung auf europäischer Ebene findet.

Die Abschlusserklärung des Gipfels ließ keinen Zweifel: Europa will seine Außengrenzen stärker schützen und dabei auch unkonventionelle Wege beschreiten. „Außergewöhnliche Situationen erfordern angemessene Maßnahmen“, hieß es diplomatisch.

Wohin steuert Europa?

Die Diskussionen in Brüssel zeigen deutlich: Die EU ist bereit, ihre Migrationspolitik drastisch zu verändern. Was lange tabu war, wird jetzt als Lösung ins Spiel gebracht. Doch ob die neuen Maßnahmen die gewünschten Erfolge bringen, wird die Zukunft zeigen. Fest steht, dass Europa auf härtere Maßnahmen setzt – und Drittstaaten eine Schlüsselrolle spielen werden.