Die Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, hat zu einer entschiedenen Neuorientierung der europäischen Industriepolitik aufgerufen. Ihr Anliegen ist die größere Unabhängigkeit Europas von China und den USA. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur warnte Benner davor, lediglich auf die Selbstregulierung des freien Marktes zu vertrauen, insbesondere angesichts des chinesischen Staatskapitalismus und der Vorhaben des künftigen US-Präsidenten Trump.
Benner fordert, dass sich europäische Staaten in Bezug auf industrielle Initiativen besser abstimmen und auch gezielt externe Investitionen fördern sollten. Die zentralen Herausforderungen bestünden in der Digitalisierung, der Senkung der Energiekosten und der Reduzierung von bürokratischen Hürden, stets unter Berücksichtigung der Klimaziele. Die Vergabe von Fördermitteln solle an eine maximale Wertschöpfung innerhalb der EU gekoppelt sein.
Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl spricht sich Benner für eine stabile Bundesregierung aus, vorzugsweise bestehend aus lediglich zwei Koalitionspartnern. Dies sei notwendig, um wichtige Reformen effektiv umsetzen zu können. Die derzeitige "Ampel"-Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe laut Benner in den letzten Monaten an Handlungsfähigkeit eingebüßt und Chancen verstreichen lassen.
Im Inland sieht Benner kein Erkenntnisproblem, sondern vielmehr ein Defizit bei der Umsetzung von Maßnahmen. Sie warnt vor einer möglichen De-Industrialisierung, falls Betriebe nicht bald mit günstigem Strom versorgt werden. Auch Verbraucher brauchten spürbare Entlastungen bei Strompreisen, um die Elektromobilität zu fördern. Der beschleunigte Ausbau der Ladeinfrastruktur sei zudem essenziell.
Für die deutsche Autoindustrie kritisiert Benner Managementfehler, insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung und das Versäumnis, kostengünstige Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Die IG Metall habe schon früh darauf gedrängt, die Wertschöpfungspotenziale der Batterieproduktion im eigenen Land zu nutzen.
Dennoch sieht Benner Chancen für Deutschland und Europa. Mit gut ausgebildeten Fachkräften, einem starken Mittelstand und der Mitbestimmung seien wichtige Grundlagen vorhanden. Die nächsten zwei Jahre seien entscheidend, um die Herausforderungen zu meistern. Die IG Metall habe zudem ein beachtliches Tarifergebnis für die Metall- und Elektroindustrie erreicht und lobt den besonderen Beitrag der engagierten Auszubildenden. Nun seien die Unternehmen am Zug, ihre Investitionen und den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland zu sichern.
Sorgen um die eigene Organisation hat Benner nicht. Trotz reduzierter Neueinstellungen in den Betrieben sei man strategisch gut aufgestellt und verfüge über kompetente und handlungsfähige Betriebsräte. Zur Mitgliederentwicklung wird die IG Metall auf ihrer Jahres-Pressekonferenz im Januar berichten, bis dahin konstatiert Benner lediglich einen starken Zulauf junger Mitglieder.