Die Europäische Union ist bekannt für ihre Kompromisse, für langwierige Verhandlungen und manchmal schwer durchschaubare Prozesse. Doch was jetzt in Brüssel passiert, ist mehr als Routinepolitik: Es ist ein politischer Neustart.
Die Wahlen zum EU-Parlament im Juni haben die Kräfteverhältnisse durcheinandergewirbelt, und Ursula von der Leyen steht vor vier dringenden Aufgaben, die nicht nur ihre Zukunft, sondern die Zukunft Europas prägen werden.
Weber zieht die Fäden – von der Leyen braucht ihn
Dass Manfred Weber, der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), heute die wohl mächtigste Figur in Brüssel ist, wird außerhalb der EU-Blase kaum wahrgenommen.
Doch Weber hat die EVP zu einer regelrechten Schaltzentrale gemacht: Seine Partei stellt 14 von 27 Kommissaren und verfügt über die größte Mehrheit unter den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten.
Von der Leyen kann künftig keine großen Projekte mehr an Weber vorbei durchsetzen – und das weiß sie. Ihre Strategie? Zusammenarbeit statt Konfrontation. Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und grüne Innovation könnten die beiden zu gemeinsamen Aushängeschildern machen.
Doch klar ist auch: Ohne die Unterstützung der EVP wird von der Leyens Einfluss rapide schwinden.
Grüne marginalisiert, Liberale zerstritten – die neue Machtordnung
Die Europawahl hat die politischen Landschaft in Straßburg verändert. Die Grünen, lange Zeit treibende Kraft für ambitionierte Klimapolitik, sind politisch abgemeldet. Die Liberalen, bisher mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Rücken, kämpfen um Zusammenhalt.
Für von der Leyen heißt das: Sie muss ihre Mehrheiten gezielt suchen. Ein Beispiel: Die gemäßigten Rechtspopulisten aus Italien und Tschechien wurden unter Führung von Manfred Weber in die Machtstruktur eingebunden – ein kluger, aber kontroverser Schachzug. Von der Leyen muss diese Dynamik nutzen, um handlungsfähig zu bleiben.
Handelspolitik: Wachstum statt Weltverbesserung
Kaum ein Thema wird in der EU so stiefmütterlich behandelt wie die Handelspolitik. Freihandelsabkommen, die Wachstum sichern könnten, werden blockiert oder mit unrealistischen Bedingungen überladen.
Von der Leyen muss hier dringend einen Kurswechsel einleiten. Brüssel darf sich nicht länger darauf konzentrieren, anderen Ländern europäische Standards aufzuzwingen. Stattdessen braucht es pragmatische Vereinbarungen, die Europas wirtschaftliche Stärke sichern – bevor die EU den Anschluss verliert.
Migration: Das entscheidende Thema
Nichts beschäftigt Europa mehr als die Migrationsfrage. Und nichts könnte für von der Leyen gefährlicher werden, wenn sie keine Lösungen liefert. Die Spaltung zwischen den Mitgliedstaaten ist tief, und bisher mangelt es an einer gemeinsamen Strategie.
Hier muss von der Leyen selbst zur treibenden Kraft werden. Nur wenn sie die Mitgliedstaaten an einen Tisch bringt und eine Balance zwischen Kontrolle, Integration und Humanität schafft, kann sie die Weichen für ein stabiles Europa stellen.
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