Google trifft Europa – aber diesmal nicht mit der Suche
Wenn Ursula von der Leyen offen über eine Digitalsteuer spricht, hören sie in Kalifornien ganz genau hin. Denn es geht nicht nur um ein paar Prozentpunkte auf Werbeerlöse – es geht um Macht. Genauer: um den wirtschaftlichen Hebel, den Europa in einem zunehmend asymmetrischen Handelsverhältnis mit den USA sucht.
„Man könnte zum Beispiel eine Abgabe auf die Werbeeinnahmen digitaler Dienste erheben“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin gegenüber der Financial Times – eine klare Ansage Richtung Silicon Valley. Betroffen wären vor allem Alphabet (Google) und Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), die in Europa Milliardenumsätze mit digitaler Werbung machen – bislang weitgehend steuerfrei.
Trump erhöht den Druck – Europa reagiert
Der Vorstoß kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Hintergrund ist die erneute Eskalation im transatlantischen Handelskonflikt. Die Trump-Regierung hat Strafzölle auf verschiedene EU-Importe in Kraft gesetzt und damit das ohnehin angespannte Verhältnis weiter belastet.
Die EU hat Gegenzölle zunächst um 90 Tage ausgesetzt – ein symbolischer Waffenstillstand. Doch hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen auf eine härtere Gangart. Die Abgabe auf Digitaleinnahmen wäre eine gezielte Antwort: wirtschaftlich wirksam, politisch lesbar, juristisch schwer angreifbar.
Tech-Giganten unter Zugzwang
Für Meta und Alphabet wäre eine solche Maßnahme mehr als nur ein Kostenfaktor. In der EU erwirtschaftet Google laut Schätzungen rund 40 Milliarden US-Dollar jährlich – vor allem durch Werbung. Meta liegt etwas darunter, aber ebenfalls im zweistelligen Milliardenbereich. Eine Abgabe von nur fünf Prozent würde bereits Milliardenkosten verursachen.

Die Finanzmärkte reagieren entsprechend differenziert: Während Alphabet-Aktien am Donnerstag um 2,6 Prozent zulegten, verlor Meta leicht. Anleger preisen offenbar ein, dass Google dank diversifizierter Geschäftsmodelle resilienter wäre – Meta hingegen hängt stärker am Werbegeschäft.
Die Leerstelle Europa
Doch die Diskussion hat auch eine andere Seite: Europa ist digital abhängig. Cloud-Dienste, KI-Infrastruktur, digitale Werbenetzwerke – fast alles wird von US-Konzernen bereitgestellt. Bundesfinanzminister Jörg Kukies brachte das Problem auf den Punkt: „Wir haben schlicht keine wirklichen Alternativen.“
Deshalb warnt er vor einem zu scharfen Vorgehen: „Da muss man sehr vorsichtig kalibrieren.“ Der Balanceakt ist offensichtlich: Europa will sich nicht länger unterordnen, hat aber selbst keine digitalen Schwergewichte, die gegenhalten könnten.
Steuerpolitik wird zur geopolitischen Waffe
Was als wirtschaftspolitische Frage daherkommt, ist in Wahrheit geopolitisches Kalkül. Die EU sucht einen Hebel im Machtspiel mit Washington – und hat ihn bei Google & Co. gefunden. Wer Werbeeinnahmen dort besteuert, wo sie erzielt werden, setzt ein klares Signal: Wir sind kein Markt zweiter Klasse.
Doch klar ist auch: Solche Abgaben werden nicht unbeantwortet bleiben. Die US-Regierung könnte mit Gegenmaßnahmen reagieren, etwa mit Strafzöllen auf europäische Autos oder Maschinen. Der Zollfrieden, von dem Ungarns Premier Viktor Orbán träumt, ist derzeit kaum mehr als ein Lippenbekenntnis.
Rückkehr zum Status quo?
Die Kommissionspräsidentin bringt es selbst auf den Punkt: „Wir werden nie mehr zum Status quo zurückkehren.“ Es ist ein Satz, der nach Entkopplung klingt – nach einem Europa, das nicht länger bloßer Spielball amerikanischer Steuerpolitik sein will.
Wie realistisch das ist, bleibt offen. Solange Europa keine eigenen Tech-Champions hat, bleibt die Drohung mit Digitalabgaben eine riskante Strategie – ökonomisch wie diplomatisch. Aber sie ist Ausdruck einer neuen Realität: Das digitale Jahrzehnt ist längst geopolitisch geworden.
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