Die umstrittene Entscheidung ist gefallen: Glyphosat, der kontroverse Unkrautvernichter, wird in der Europäischen Union (EU) für weitere zehn Jahre zugelassen. Dies gab die EU-Kommission am Donnerstag bekannt, nur Minuten nach einem geheimen Treffen mit den Vertretern der EU-Staaten. Obwohl die Mitgliedsländer der EU die Zulassung hätten verhindern können, gab es letztlich keine ausreichende Mehrheit für ein Verbot. Die aktuelle Zulassung von Glyphosat wäre Mitte Dezember ausgelaufen, sodass die EU-Kommission die Zulassung nun formell erneuern muss.
Um mögliche Risiken für Mensch, Tier und Umwelt gering zu halten, plant die EU-Kommission jedoch bestimmte Einschränkungen für den Einsatz des Unkrautvernichters. Diese beinhalten unter anderem Maßnahmen zum Schutz von Tieren und Pflanzen, die nicht das eigentliche Ziel des Glyphosat-Einsatzes sind. Des Weiteren soll es verboten werden, Glyphosat als Trockenmittel vor der Ernte einzusetzen.
Die alleinige Verantwortung für den Einsatz von Glyphosat möchten jedoch anscheinend nicht die EU-Kommission allein tragen. In einer Mitteilung wird explizit darauf hingewiesen, dass die EU-Staaten weiterhin die Möglichkeit haben, Glyphosat auf nationaler und regionaler Ebene einzuschränken. Die rechtliche Haltbarkeit solcher Einschränkungen nach der Entscheidung der Kommission bleibt jedoch fraglich. Bereits zuvor hatte Luxemburg versucht, die Verwendung von Glyphosat zu verbieten, was jedoch gerichtlich gekippt wurde, da das Verbot unzureichend begründet war.
Die weitere Vorgehensweise in Deutschland ist noch nicht abschließend geklärt. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP heißt es, dass Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt genommen werden soll. Dies steht jedoch mittlerweile in Frage. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass nun Bundesagrarminister Cem Özdemir gefragt sei, die zehnjährige Verlängerung von Glyphosat in Deutschland umzusetzen.
Cem Özdemir ist einer der wichtigsten Befürworter der Abschaffung von Glyphosat. Der Grünen-Politiker geht davon aus, dass alle drei Koalitionspartner dem Koalitionsvertrag verpflichtet seien und diesen nun gemeinsam umsetzen sollten. Dabei sollte der nationale Spielraum im Rahmen dessen, was von Brüssel festgelegt wurde, genutzt werden.
Was die Position der SPD in Berlin zu diesem Thema betrifft, so ist dies laut Özdemir noch unklar. Er gab an, dass ihm keine 'irgendwie geartete Positionierung' des Koalitionspartners bekannt sei. Die SPD-Europaabgeordneten Delara Burkhardt und Maria Noichl kritisierten jedoch die bevorstehende Verlängerung der Glyphosat-Zulassung.
Die Entscheidung der EU-Kommission wurde von der Union positiv aufgenommen. Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament, bezeichnete die Verlängerung als einen wichtigen Schritt für die europäische Landwirtschaft.
Glyphosat ist unter anderem aufgrund der möglichen krebserregenden Wirkung und der Gefahren für die Umwelt umstritten. Eine umfangreiche Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ergab kürzlich keine inakzeptablen Gefahren, wies jedoch auf Datenlücken in mehreren Bereichen hin.
Ungeklärt bleiben laut Efsa jedoch ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Auch bezüglich des Artenschutzes lassen die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.
Glyphosat, auch als Totalherbizid bezeichnet, lässt Pflanzen absterben. Wo Glyphosat versprüht wird, sterben Gräser, Sträucher oder Moos ab. Das Mittel wird hauptsächlich in der Landwirtschaft eingesetzt, um Felder vor der Aussaat von Nutzpflanzen von Unkraut zu befreien.
Der Hersteller von Glyphosat, Bayer, begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission. Der Leverkusener Konzern teilte mit, dass diese erneute Genehmigung es ermögliche, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung zu stellen.
Umweltverbände und Grüne stehen dem Mittel kritisch gegenüber. Die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) teilte mit, dass der Schutz der Gesundheit von Millionen Europäerinnen und Europäern über den Konzerninteressen von Bayer stehen müsse. Christine Vogt vom Umweltinstitut München gab an, dass der Kommission offensichtlich das politische Mandat fehle, das Pestizid weiterhin zuzulassen.
Die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung in Brüssel aufgrund unterschiedlicher Ansichten innerhalb der Bundesregierung stößt ebenfalls auf Kritik. Chris Methmann von der Verbraucherorganisation Foodwatch sagte, dass die Grünen erneut vor der blockierenden FDP eingeknickt seien und die SPD tatenlos daneben gestanden habe. Das Nicht-Einhalten des Versprechens aus dem Koalitionsvertrag und die Enthaltung bei der Verlängerung seien scheinheilig und eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler.