25. Oktober, 2024

Finanzen

ETFs auf Steroiden: Warum Hebel-Produkte gefährlich sind

Mit Leveraged- und Short-ETFs können Anleger von Marktbewegungen überproportional profitieren. Doch die Risiken sind erheblich und erfordern fundiertes Wissen. Sind diese Produkte wirklich sinnvoll für langfristige Investoren?

ETFs auf Steroiden: Warum Hebel-Produkte gefährlich sind
Wer denkt, mit Hebel-ETFs schnell reich zu werden, sollte zweimal überlegen. Diese Produkte bieten nicht nur die Chance auf Gewinne, sondern auch das Potenzial für verheerende Verluste.

Wer bei ETFs auf hohe Gewinne aus ist, wird schnell auf Hebel- oder Short-ETFs stoßen. Diese speziellen Produkte versprechen mehr Rendite, indem sie Kursbewegungen des zugrunde liegenden Index verstärken.

Doch was sich nach schnellem Geld anhört, birgt erhebliche Risiken. Die Finanzprodukte können zwar kurzfristig in volatilen Märkten Gewinne ermöglichen, sind aber nur etwas für erfahrene Anleger.

Was genau sind Leveraged-ETFs?

Ein Leveraged-ETF, auch Hebel-ETF genannt, funktioniert im Prinzip einfach: Er verstärkt die Kursbewegung eines Basiswertes um einen festen Faktor, meist zwei- oder dreifach. Wenn der S&P 500 beispielsweise an einem Tag um 5 % steigt, legt ein zweifach gehebelter ETF um 10 % zu. Klingt verlockend, oder?

Doch das Risiko wächst im selben Maße: Bei einem Kursverlust von 5 % fällt der gleiche ETF um 10 %. Diese Produkte vervielfachen also sowohl die Gewinne als auch die Verluste.

Der Knackpunkt bei Leveraged-ETFs ist die sogenannte Pfadabhängigkeit. Hebelprodukte sind für die tägliche Wertentwicklung konzipiert. Über längere Zeiträume können die Ergebnisse jedoch stark von der erwarteten Entwicklung abweichen. Je volatiler der Markt, desto größer die Abweichung. Viele Anleger unterschätzen diesen Effekt und erleben böse Überraschungen.

Short-ETFs: Wetten auf fallende Kurse

Während Leveraged-ETFs auf steigende Kurse setzen, funktionieren Short-ETFs genau umgekehrt. Sie gewinnen, wenn der zugrunde liegende Index fällt. Ein Short-ETF auf den S&P 500 profitiert beispielsweise, wenn der Index sinkt. Auch hier gilt jedoch: Diese ETFs sind keine Wundermittel für langfristige Anleger, denn auch sie unterliegen der Pfadabhängigkeit.

Short-ETFs sind insbesondere in turbulenten Marktphasen interessant, wenn Anleger mit fallenden Kursen rechnen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Fallen die Märkte nicht so stark wie erwartet oder erholen sie sich kurzfristig, können die Verluste bei Short-ETFs schnell steigen.

Für wen eignen sich diese Produkte?

Markus Jordan, Gründer von Extra ETF, erklärt:

„Leveraged- und Short-ETFs eignen sich nur für kurzfristig orientierte und erfahrene Anleger, die bereit sind, den Markt aktiv zu verfolgen.“

Diese Produkte seien nichts für klassische ETF-Anleger, die langfristig in ihr Depot investieren und es nicht ständig im Auge behalten möchten. Die großen Schwankungen machen Hebel-ETFs riskant – ein falscher Trade kann schnell zu erheblichen Verlusten führen.

Verbraucherschützer wie Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW warnen deshalb vor der Gefahr eines Totalverlusts: „Hebel-ETFs sind eher für professionelle Anleger gedacht, die wissen, was sie tun und sich im Zweifel Verluste leisten können.“ Gerade in volatilen Zeiten sollten sich private Anleger von diesen Produkten fernhalten.

Die versteckten Risiken der Pfadabhängigkeit

Ein entscheidender Nachteil von Hebel-ETFs ist die sogenannte Pfadabhängigkeit. Die Wertentwicklung eines gehebelten ETFs ist nicht linear, sondern hängt stark von der täglichen Kursentwicklung ab. Ein Beispiel: Steigt der S&P 500 an einem Tag um 5 %, steigt der zweifach gehebelte ETF um 10 %. Fällt der S&P 500 jedoch am nächsten Tag wieder um 5 %, fällt der gehebelte ETF um 10 %.

Am Ende dieser beiden Tage liegt der ETF also niedriger, obwohl sich der Index kaum verändert hat. Dies führt dazu, dass Hebel-ETFs in volatilen Märkten trotz eines positiven langfristigen Trends unter Umständen schlechter abschneiden als erwartet.

David Wehner, Fondsmanager bei FGTC Investment, erklärt:

„Die meisten Anleger unterschätzen die Auswirkungen der Pfadabhängigkeit. Gerade in turbulenten Jahren kann das Ergebnis deutlich von der erwarteten Performance abweichen.“

Diese Dynamik führt dazu, dass Hebel- und Short-ETFs vor allem für kurzfristige Trades geeignet sind, bei denen die Marktbewegungen relativ gut vorhersehbar sind.

Höhere Kosten – lohnt sich das?

Hebel- und Short-ETFs sind nicht nur riskanter als herkömmliche ETFs, sie sind auch teurer. Aufgrund der komplexen Struktur dieser Produkte – sie beruhen oft auf Swap-Geschäften mit Banken – fallen die jährlichen Gebühren höher aus. Markus Jordan von Extra ETF relativiert jedoch:

„Für kurzfristig orientierte Anleger spielen die höheren Kosten kaum eine Rolle, da sie die ETFs oft nur für wenige Tage oder Wochen halten.“

Langfristig können die höheren Kosten jedoch die Rendite schmälern. Anleger sollten deshalb genau abwägen, ob sich der Einsatz von Hebel-ETFs für ihre Strategie lohnt oder ob klassische ETFs mit niedrigeren Kosten die bessere Wahl sind.

Alternativen für risikobewusste Anleger

Wer von den Chancen der Marktvolatilität profitieren möchte, aber das hohe Risiko von Hebel- und Short-ETFs scheut, kann auf alternative Strategien zurückgreifen.

Eine Option ist der Einsatz von defensiven ETFs, die in dividendenstarke und stabile Unternehmen investieren. Diese Produkte sind weniger anfällig für Marktschwankungen und bieten eine kontinuierliche Einkommensquelle durch Dividenden.

Auch Optionsstrategien wie Covered Calls können interessant sein. Dabei schreiben Anleger Call-Optionen auf ihre bestehenden Positionen, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Diese Strategie reduziert das Risiko und ermöglicht es, von Kursschwankungen zu profitieren, ohne das hohe Risiko eines Hebel-ETFs einzugehen.

Leveraged- und Short-ETFs sind komplexe Finanzprodukte, die sich vor allem für erfahrene Anleger eignen, die den Markt aktiv beobachten und über das nötige Wissen verfügen.

Für langfristig orientierte Investoren, die auf einen stabilen Vermögensaufbau setzen, sind herkömmliche ETFs die bessere Wahl. Der Hebeleffekt kann zwar kurzfristig hohe Gewinne bringen, doch die Risiken – insbesondere die Pfadabhängigkeit und die Volatilität – machen diese Produkte zu einer riskanten Wette.

Wer sich dennoch für Hebel-ETFs interessiert, sollte sich der Risiken bewusst sein und nur einen kleinen Teil seines Portfolios in diese Produkte investieren. Denn ohne das nötige Marktverständnis und das richtige Timing drohen am Ende hohe Verluste statt der erhofften Rekordrenditen.