04. Oktober, 2024

Märkte

Erdölmarkt unbeeindruckt von Spannungen im Nahen Osten

Erdölmarkt unbeeindruckt von Spannungen im Nahen Osten

Trotz eskalierender Spannungen im Nahen Osten bleibt der Ölpreis erstaunlich stabil. Wäre es vor Jahren zu einem umfassenden Raketenangriff des Iran auf Israel gekommen, hätten die Rohölpreise wahrscheinlich Höhenflüge erlebt. Doch das pragmatische Schweigen des Erdölmarktes könnte ein Vorzeichen für ein tieferliegendes Missverständnis der Tragweite der aktuellen Ereignisse sein.

Das Marktverhalten erinnert an die Phase vor dem Ersten Weltkrieg, als die Börsen trotz sich abzeichnender Konflikte weiterhin ausgelassen agierten. Nach der jüngsten Eskalation im Nahen Osten zeigt sich der Ölmarkt dennoch widerstandsfähig. Vor wenigen Tagen gelang es Israel, die Führung der Hisbollah zu loszuwerden, woraufhin die Revolutionsgarden des Iran die gemäßigtere Regierung entmachteten. Dennoch verharrte der Brent-Ölpreis weiterhin nahe einem Dreijahrestief.

Ein Erklärungsansatz für die Ruhe: Neue Ölangeboten aus Kanada, Guyana, Brasilien und durch amerikanisches Schieferöl destabilisieren die Bemühungen des Opec-Russland-Kartells, die Ölpreise auf Saudi-Arabiens Wunschziel von 100 Dollar zu heben. Die Saudis erwägen nun eine Erhöhung der Produktion, um ihre Marktanteile zu sichern - ein Zug, der an frühere Preiskriege erinnert.

Iran kann zudem nicht mehr glaubhaft drohen, den Energienotstand auszulösen. Chinas enge wirtschaftliche Beziehungen zu Iran sichern dem Land trotz westlicher Sanktionen signifikante Einnahmen, wodurch Iran seine regionalen Interessen weiter verfolgen kann. Gleichzeitig ist die US-Ölproduktion auf Rekordniveau, was den Einfluss des Nahen Ostens auf die amerikanische Energieunabhängigkeit reduziert.

Die Folge: Die strategische Bedeutung des Nahen Ostens verlagert sich zunehmend in Richtung China, das als größter Rohöleinkäufer das Risiko eines Energienotstands anders gewichten muss als die USA. Ungeachtet dessen bleibt die US-amerikanische Politik wachsam, auch um mögliche Schwankungen in den Benzinpreisen vor den Wahlen zu vermeiden.