In Deutschland wechseln jährlich Vermögen in Milliardenhöhe durch Erbschaften den Besitzer. Allein im Jahr 2023 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 121,5 Milliarden Euro vererbt. Doch der deutsche Staat konnte nur neun Milliarden Euro an Erbschaftssteuern einnehmen.
Der Grund: Viele Erbschaften bleiben aufgrund gesetzlicher Freibeträge steuerfrei – doch erstaunlich viele Deutsche wissen nicht, welche Freibeträge für sie gelten.
Eine aktuelle Studie der Quirin Privatbank, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Puls, zeigt alarmierende Ergebnisse: Trotz der wachsenden Erbschaften fühlen sich viele Erben und Erblasser schlecht informiert über ihre Rechte und Pflichten. Diese Informationslücken führen dazu, dass viele Deutsche nicht von den finanziellen Vorteilen profitieren, die ihnen zustehen.
Wer erbt, und was wird vererbt?
Eine der zentralen Fragen, die die Studie untersuchte, war, wer in Deutschland überhaupt erbt und welche Vermögenswerte dabei weitergegeben werden. Interessanterweise haben knapp 45 Prozent der Befragten noch nie geerbt, während etwa jede fünfte Person damit rechnet, eine Erbschaft zu hinterlassen.
Was die Erbschaften selbst betrifft, so zeigt die Studie, dass in drei von vier Fällen Geld vererbt wird. Immobilien folgen dicht dahinter: Rund die Hälfte der Erben erhält eine Immobilie. Schmuck und Wertpapiere sind ebenfalls beliebte Erbschaften, wobei letztere seit der letzten Erhebung im Jahr 2017 einen leichten Zuwachs verzeichneten.
Die steigende Bedeutung der Erbschaften
Während die durchschnittlichen Erbsummen im Vergleich zu 2017 deutlich gestiegen sind, wächst auch die Diskrepanz zwischen kleinen und großen Erbschaften. So gaben 29 Prozent der Befragten an, mehr als 100.000 Euro geerbt zu haben – ein Anstieg im Vergleich zu 16 Prozent im Jahr 2017.
Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, da die Babyboomer-Generation langsam in das Erbschaftsalter kommt. Diese Kohorte, die in den wirtschaftlich prosperierenden Jahrzehnten der Nachkriegszeit Vermögen aufgebaut hat, wird in den kommenden Jahren erhebliche Vermögenswerte vererben.
Die Studie zeigt, dass immer mehr Menschen damit rechnen, in Zukunft größere Summen zu vererben: 34 Prozent der Befragten erwarten, mehr als 250.000 Euro zu hinterlassen. Das deutet darauf hin, dass der Wert der Erbschaften in Deutschland weiterhin steigen wird.
Erben und Vermögen: Ein Ost-West-Gefälle
Ein markanter Unterschied in der Studie zeigt sich zwischen Ost- und Westdeutschland. Während im Westen, insbesondere in den wirtschaftlich starken Bundesländern Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg, häufig Erbschaften über 100.000 Euro gemacht werden, sind die Erbschaften im Osten deutlich niedriger.
Hier gaben überdurchschnittlich viele Menschen an, noch nie geerbt zu haben. Dies reflektiert die anhaltende Vermögensungleichheit zwischen Ost und West, auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Wirtschaftlich starke Regionen, in denen Immobilienpreise stark gestiegen sind, wie Bayern und Hessen, weisen größere Erbschaften auf. Das zeigt, dass Vermögen vor allem in wohlhabenden Haushalten und Regionen weitergegeben wird.
Fehlende Informationen: Viele Erben wissen nicht Bescheid
Ein zentrales Problem, das die Studie aufdeckt, ist das große Unwissen über die gesetzlichen Regelungen zum Erben. Rund 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mehr Informationen über die Erbschaftsteuer wünschen. Jeder dritte Befragte fühlt sich unsicher im Umgang mit dem Testament und den relevanten Gesetzen.
Besonders unklar sind vielen Menschen die Pflichtteile und Freibeträge, die sie steuerlich entlasten könnten. Diese Unsicherheiten betreffen besonders jene, die zum ersten Mal erben und oft nicht wissen, dass sie von großzügigen Freibeträgen profitieren könnten.
Besonders bei Verwandtschaftsgraden, die nicht zu den direkten Erben gehören, wie Geschwistern oder unverheirateten Lebenspartnern, herrscht große Unkenntnis über die niedrigen Freibeträge von nur 20.000 Euro.
Erbschaftssteuer: Ungerecht oder notwendig?
Obwohl drei Viertel der Befragten noch nie Erbschaftsteuer zahlen mussten, wird sie von vielen als ungerecht empfunden – besonders von Menschen mit niedrigerem Einkommen.
Zwei Drittel dieser Gruppe finden die Erbschaftsteuer unfair. Diese Wahrnehmung resultiert oft aus fehlendem Wissen über die geltenden Freibeträge. Viele glauben, dass sie eine hohe Steuerlast tragen müssen, obwohl das in den meisten Fällen nicht zutrifft.
In den höheren Einkommensgruppen ist die Skepsis gegenüber der Erbschaftsteuer zwar ebenfalls verbreitet, jedoch weniger ausgeprägt. Etwa 60 Prozent der Befragten mit höherem Einkommen sehen die Steuer als ungerecht an. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die Befragten selbst Kinder haben oder nicht – das Urteil über die Erbschaftsteuer bleibt ähnlich.
Aufklärung ist der Schlüssel
Die Studie zeigt, dass Erben und Erblasser in Deutschland noch viel zu wenig über ihre Rechte und Pflichten wissen. Dabei könnten sie von den Freibeträgen und steuerlichen Vorteilen profitieren, wenn sie besser informiert wären. Besonders für Menschen mit geringem Einkommen ist es entscheidend, sich über die geltenden Regelungen zu informieren, um unnötige Steuerlasten zu vermeiden.
Für zukünftige Erben und Erblasser gilt: Lassen Sie sich rechtzeitig beraten und planen Sie, wie Sie Ihr Vermögen am besten weitergeben können. So können unnötige Kosten und Missverständnisse vermieden werden.