In einem viel beachteten Verfahren beim Bundesgerichtshof beschäftigt sich der oberste Kartellsenat mit der Frage, ob Unternehmen ihre ehemaligen Führungskräfte für Kartellbußgelder in die Haftung nehmen können. Konkret geht es um die Regressansprüche zweier Edelstahlunternehmen gegen einen früheren Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden, der von 2002 bis 2015 an Preisabsprachen beteiligt war.
Im Jahr 2018 verhängte das Bundeskartellamt nach intensiven Ermittlungen Bußgelder in Millionenhöhe gegen mehrere Beteiligte des Kartells. Insgesamt wurden rund 355 Millionen Euro gegen zehn Unternehmen, zwei Branchenverbände und mehrere Verantwortliche festgesetzt. Eine der klagenden Gesellschaften belastete das Bußgeld mit 4,1 Millionen Euro, während der persönliche Anteil des Managers 126.000 Euro betrug.
Die juristische Kernfrage liegt darin, ob Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder haften müssen, wenn sie durch ihr Verhalten Kartellstrafen verursachen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte zuvor entschieden, dass ein Regress in solchen Fällen nicht in Betracht komme, da dies den Zweck der Unternehmensstrafen unterlaufen würde.
Sollte der Bundesgerichtshof eine Regressmöglichkeit anerkennen, wären Führungskräfte existenziellen Haftungsrisiken ausgesetzt, so Experten. Die Haftpflichtversicherungen (D&O) könnten in ihrer aktuellen Form nicht immer den Schutz bieten, den sie versprechen. Auch europäische Rechtsfragen könnten eine Rolle spielen, weshalb das Verfahren möglicherweise vor dem Europäischen Gerichtshof landen könnte.