04. Oktober, 2024

Politik

Entlastet die Ampel die Wirtschaft mit dem Streichen von 100 Berichtspflichten?

Die Ampelkoalition hat den Bürokratieabbau vorangetrieben und fast 100 Berichtspflichten für Unternehmen abgeschafft. Doch reicht das? Experten fordern noch mehr Maßnahmen, um das „Bürokratiedickicht“ weiter zu lichten.

Entlastet die Ampel die Wirtschaft mit dem Streichen von 100 Berichtspflichten?
Rund 40.000 Unternehmen, darunter Lebensmittelbetriebe und Wasserzählerbetreiber, profitieren vom Wegfall der Meldepflicht für Messgeräte – eine der bedeutendsten Entlastungen im neuen Bürokratieabbau-Paket.

Die deutsche Wirtschaft stöhnt seit Jahren unter dem Druck der Bürokratie – und endlich scheint die Politik zu reagieren. Nahezu 100 Berichtspflichten werden für Unternehmen gestrichen, um die Verwaltungslasten zu reduzieren.

Eine exklusive Liste des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, welche Pflichten wegfallen und welche Branchen besonders profitieren. Ein bedeutender Schritt, doch der Ruf nach weiteren Entlastungen bleibt laut.

Endlich Bewegung beim Bürokratieabbau


„Wir meinen es ernst“, verkündet Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Das „Bürokratiedickicht“ soll gelichtet werden, und die Ampelkoalition macht Fortschritte: 47 Informationspflichten werden gestrichen, 50 weitere vereinfacht oder gebündelt. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Unternehmen in Deutschland wieder mehr Raum zum Atmen zu geben.

Ein Großteil dieser Änderungen wird durch das neue Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG) und eine ergänzende Verordnung umgesetzt, die der Bundestag bereits verabschiedet hat.

Trotz der Streichung von 97 Berichtspflichten fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weitere Maßnahmen, da die jährlichen Bürokratiekosten für Unternehmen noch immer bei rund 66 Milliarden Euro liegen.

Was bedeutet das konkret? Ein Beispiel: Messgeräte, wie sie in Lebensmittelbetrieben oder als Wasserzähler genutzt werden, müssen künftig nicht mehr gesondert gemeldet werden. Allein diese Änderung entlastet rund 40.000 Unternehmen.

Auch die Meldepflichten für genutzte Gewerberäume und die Anzeige, welche Personen die Leitung von Zweigniederlassungen übernehmen, entfallen. Ebenso müssen Unternehmen, die Steinkohle und Steinkohlekoks nutzen, dies nicht mehr monatlich melden. Die Betreiber von Häfen können aufatmen, da sie nun nicht mehr für jedes ausgehende Schiff detaillierte Ladungslisten führen müssen.

Bürokratische Lasten – ein teures Problem

Diese Streichungen sind bitter nötig. Denn nach Berechnungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) belasteten nationale Informationspflichten die Unternehmen im Jahr 2024 mit rund 66 Milliarden Euro. Ein enormer Kostenfaktor, der den Innovations- und Wettbewerbsdruck auf deutsche Unternehmen zusätzlich verstärkt.

Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des BDI, begrüßt die Maßnahmen, wünscht sich jedoch noch mehr politisches Engagement. „Wir hatten auf mehr politischen Gestaltungswillen gehofft“, erklärte sie nach der Verabschiedung des BEG. Zwar sei die Streichung von 97 Berichtspflichten ein erster Schritt, doch das Dickicht an Bürokratie sei damit längst nicht durchdrungen.

Wächter des Bürokratieabbaus fordern mehr Entlastung

Auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR), der die Entwicklung der Bürokratie in Deutschland beobachtet, stellt fest, dass der Bürokratieabbau ins Rollen kommt. Seit 2019 sei es erstmals gelungen, die jährlichen Belastungen der Wirtschaft zu senken – um immerhin 433 Millionen Euro.

Der sogenannte „Erfüllungsaufwand“, also der Zeit- und Kostenaufwand für die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, liegt dennoch weiterhin bei 9,7 Milliarden Euro jährlich.

Doch NKR-Chef Lutz Goebel übt weiterhin Kritik:

„Die bürokratischen Lasten sind wahnsinnig hoch.“
Der Nationale Normenkontrollrat begrüßt die Fortschritte beim Bürokratieabbau, kritisiert jedoch, dass Deutschland nach wie vor ein „kompliziertes Land“ bleibt. Weiterer Reformbedarf besteht.

Zwar seien die aktuellen Maßnahmen ein Schritt in die richtige Richtung, doch von einer wirklichen Entlastung der Wirtschaft könne noch lange nicht die Rede sein. „Deutschland ist und bleibt ein kompliziertes Land“, so Goebel.

Was die Streichung der Pflichten bedeutet

Was bedeutet das für die Unternehmen in Deutschland? Die gestrichenen Pflichten betreffen Unternehmen aus verschiedenen Branchen, vom produzierenden Gewerbe über den Energiesektor bis hin zur Logistik.

Besonders die Vereinfachung von Meldepflichten wird von vielen Unternehmen als große Erleichterung empfunden. So müssen beispielsweise Betreiber von Steinkohlekraftwerken nicht mehr monatlich den Verbrauch von Kohle melden, was den Verwaltungsaufwand deutlich reduziert.

Doch es gibt auch kritische Stimmen: Einige Experten warnen davor, dass der Abbau von Informationspflichten zu einer geringeren Transparenz führen könnte. Insbesondere in sensiblen Branchen, etwa der Energieversorgung, könnten geringere Meldepflichten zu weniger Kontrolle führen. Hier wird es darauf ankommen, dass die verbleibenden Pflichten effizienter und gezielter gestaltet werden.

Ein Anfang, aber kein Ende

Die Ampelkoalition hat mit der Streichung von fast 100 Berichtspflichten einen wichtigen Schritt in Richtung Bürokratieabbau gemacht. Doch es bleibt noch viel zu tun. Die Unternehmen begrüßen die Erleichterungen, fordern aber weitere Maßnahmen. Denn trotz der Fortschritte bleibt Deutschland eines der bürokratischsten Länder der Welt.