Im Fall der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja in Russland gibt es eine kontroverse Entwicklung: Einer der verurteilten Täter ist vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Als Gegenleistung soll er Kriegsdienst in der Ukraine geleistet haben. Der Anwalt des Mannes bestätigte diese Informationen gegenüber dem Nachrichtenportal RBK.
Der ehemalige Polizist wurde 2014 zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Medienberichten zufolge soll er Ende 2022 in die Ukraine gereist sein, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Nach einem halben Jahr verlängerte er seinen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium. Über seinen derzeitigen Einsatzort ist nichts bekannt.
Anna Politkowskaja war eine Journalistin der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta". Aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die Zeitung ihr Erscheinen in Papierform eingestellt. Die beiden Kinder der Journalistin äußerten sich zu der vorzeitigen Haftentlassung ihres Mörders. In ihrer Stellungnahme betonten sie, dass dies keine Beweis für Sühne und Reue sei, sondern ein Akt der Ungerechtigkeit und des Missbrauchs der Erinnerung an ihre Mutter.
Auch Dmitri Muratow, Mitgründer der "Nowaja Gaseta" und Preisträger des Friedensnobelpreises, äußerte sich zu dem Fall. Er kritisierte die systematische Missachtung der Rechte von Opfern durch den Staat. Ursprünglich sollte der Verurteilte erst im Jahr 2034 aus der Haft entlassen werden.
In den letzten Wochen haben mehrere Fälle in Russland für Aufsehen gesorgt, bei denen Schwerverbrecher von Präsident Wladimir Putin begnadigt wurden, um im Krieg gegen die Ukraine zu kämpfen. Der Kreml rechtfertigt diese umstrittene Praxis als Möglichkeit für die Verurteilten, ihre Taten durch ihren Einsatz im Krieg zu sühnen.
Der Mord an Anna Politkowskaja ereignete sich im Oktober 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau. Für das Attentat wurden mehrere Männer aus Tschetschenien verurteilt. Der nun freigelassene Täter soll die Journalistin vor ihrer Ermordung beschattet haben. Politkowskajas Familie vermutet ein politisches Motiv hinter dem Mord und fordert weiterhin eine umfassende Aufklärung.