Ein Glaubenssatz gerät ins Wanken
„Efficiency first“ – lange galt dieses Prinzip als unantastbar in der Energiepolitik. Vor Sanierung und Dämmung kommt nichts. Doch nun, nach 545 Milliarden Euro, die seit 2010 in energetische Gebäudesanierungen geflossen sind, mehren sich die Zweifel.
Der Wärmeverbrauch ist kaum noch gesunken, die Sanierungsquote liegt bei mageren 0,7 %. „Wir reiten ein totes Pferd“, bringt es Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands der Wohnungswirtschaft, auf den Punkt.
Dabei haben die hohen Kosten längst nicht nur private Eigentümer erreicht. Kommunale Wohnungsunternehmen, einst Vorreiter in der Sanierung, stehen finanziell am Abgrund. „Das, was gemacht wird, kostet so viel, dass den Unternehmen die Liquidität ausgeht“, warnt Gedaschko.
Steigende Kosten, sinkender Nutzen
Ein zentraler Kritikpunkt: Der Aufwand für jede eingesparte Kilowattstunde Wärmeenergie hat sich vervierfacht. „Das meiste ist schon getan“, sagt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen.
Die großflächigen Sanierungen der vergangenen Jahrzehnte haben ihre Wirkung gezeigt, doch weitere Maßnahmen bringen kaum noch Einsparungen.
Gleichzeitig steigt die sogenannte „graue Energie“ – der CO₂-Ausstoß durch Herstellung, Transport und Einbau neuer Baumaterialien. „Man sollte Bauteile erst ersetzen, wenn sie kaputt sind“, fordert Walberg.
Ein Ansatz, der nicht mit den strikten Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes harmoniert, das CO₂-Einsparungen allein im Betrieb misst.
Wärmepumpen ja, aber nicht um jeden Preis
Auch der Neubau ist betroffen. Während die Politik weiter auf den Effizienzhausstandard 40 drängt, fordern Experten einen realistischeren Ansatz.
„Moderne Wärmepumpen können auch in unsanierten Gebäuden effizient arbeiten“, erklärt Manfred Fisch, ehemaliger Professor für Gebäudeenergietechnik. Er sieht keine Notwendigkeit, flächendeckend teure Dämmmaßnahmen umzusetzen.
Der Druck zeigt Wirkung: Die Bestellungen von Wärmepumpen sind stark eingebrochen. Zu teuer, sagen die Bürger, die oft auch mit explodierenden Materialkosten kämpfen. Selbst Architekten wie Werner Sobek, die Nachhaltigkeit zu ihrem Markenzeichen gemacht haben, hören von Kunden zunehmend: „Ich bin nicht mehr dabei.“
Ein Spagat ohne Lösung?
Die Bau- und Immobilienbranche gerät immer stärker in die Zwickmühle. Einerseits steigen die Anforderungen und damit die Kosten, andererseits fehlt das Geld. Gedaschko spricht von einer „Dauer-Haushaltskrise“.
Um die aktuellen Standards zu erfüllen, wären jährlich 40 Milliarden Euro an staatlicher Förderung nötig – mehr als doppelt so viel wie derzeit bereitgestellt wird. Doch selbst wenn diese Mittel verfügbar wären, bleibt die Frage, ob die Strategie nachhaltig ist.
Der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle hält dagegen: Sanierungen amortisieren sich durch Einsparungen, behaupten die Lobbyisten. Doch selbst diese Argumentation verliert an Überzeugungskraft, wenn die CO₂-Emissionen der Baumaterialien mit einbezogen werden.
Wohin führt der Weg?
Die Experten-Initiative „Praxispfad CO₂-Reduktion“ fordert einen Paradigmenwechsel: Weg von „Efficiency first“, hin zu einer pragmatischeren, auf CO₂-arme Wärmeerzeugung ausgerichteten Strategie.