15. Januar, 2025

Movies

Empörung im Märchenwald: „Cuckoo“ entführt in surreale Albträume

Empörung im Märchenwald: „Cuckoo“ entführt in surreale Albträume

Eine ungewöhnliche Szene in der Hotellobby sorgt für Irritationen: Ein Gast taumelt, sich übergebend, hinein. Diese verstörende Atmosphäre zieht sich durch den gesamten Film „Cuckoo“, inszeniert vom deutschen Filmemacher Tilman Singer. Bekannt für seinen experimentellen Stil seit „Luz“ (2019), zieht Singer abermals das Publikum in eine sensorische Erfahrung, die wenig Wert auf logische Erklärungen legt. Seine Werke bewegen sich gekonnt am Rande zwischen faszinierend und rätselhaft, aufregend und irritierend.

Im Zentrum von „Cuckoo“ steht Gretchen, dargestellt von der herausragenden Hunter Schafer. Die 17-Jährige, die um den Verlust ihrer Mutter trauert, wird von ihrem Vater (Marton Csokas) und dessen neuer Familie in ein Resort in den Bayerischen Alpen gebracht. Schon bei der Ankunft merkt Gretchen, dass etwas nicht stimmt. Sie vermisst ihre Mutter und das Leben in Amerika. Der Kontakt zu ihrer neuen Stiefmutter (Jessica Henwick) und der stummen, unter unerklärlichen Anfällen leidenden Halbschwester Alma (Mila Lieu) fällt ihr schwer. Die merkwürdige Aufmerksamkeit des Resortbesitzers Herr König (Dan Stevens) gegenüber Alma verstärkt ihre Unruhe zusätzlich.

Im Wald hört man unheimliche Schreie, und eine beängstigende weiße Gestalt scheint Gretchen zu verfolgen. Die Möglichkeit, dass das Taschenmesser, das sie einsteckt, nützlich sein könnte, zeichnet sich zunehmend ab. König, in einer brillanten verkörperten Rolle durch Stevens, agiert überzeugend mit seinem makellosen deutschen Akzent, den er bereits im charmanten 2021er Sci-Fi-Romanze „Ich bin dein Mensch“ zur Schau stellte. Seine Figur verbindet eine verführerische Unheimlichkeit, die weniger an einen verrückten Wissenschaftler erinnert als an einen besessenen Ornithologen. Kong obsessiert über die Replikation der Brutverhaltensweisen des titelgebenden Vogels auf fürchterliche Weise und benötigt die Kooperation junger Frauen, die Gretchen nicht bereit ist zu leisten.

Paul Faltz gelingt es, auf 35-Millimeter-Film, unterstützt von Simon Waskows fiebrigem Score, die surreale Situation Gretchens mit bizarren Nahaufnahmen einzufangen. Zu sehen sind Ohren, die auf mysteriöse Rufe hin zucken, und Hälse, die in einem schnellen, stotternden Puls erbeben. Schleimige Sekrete werden von einer Frau zur nächsten weitergereicht. Mit zunehmenden Gefahren im Resort und multiplen Verletzungen Gretchens entwickeln sich die körperhorrorartigen Ambitionen des Films zur Methode, durch die sie ihre Trauer bewältigt und emotionale Heilung findet.