In einer beinahe ironischen Fügung der Geschichte wurde Amerikas moralischster Präsident Jimmy Carter mit einem Staatsbegräbnis geehrt, kurz bevor der kontrastreichere Donald Trump zurück ins höchste Amt einzieht. Ein Zusammentreffen, das fast göttlich arrangiert scheint.
Während Jimmy Carters Abschied erneut Werte wie Tugend und Charakter in den Vordergrund rückte, saß der designierte Präsident Trump, bekanntermaßen wenig geduldig, während der 90-minütigen Ehrenrede in der US-Nationalkathedrale in Washington. Walter Mondale, Carters Vizepräsident, pries posthum, vertreten durch seinen Sohn, die aufrichtigen Taten der Carter-Ära. Neben Trump saßen die noch lebenden Ex-Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und Joe Biden.
Carter, der als erster Präsident seinen 100. Geburtstag beging, hielt sich länger am Leben, um bei der Wahl Kamala Harris zu unterstützen, ein Wunsch, der unerfüllt blieb. Sein Leben erstreckte sich über 40 Prozent der Existenz der US-amerikanischen Republik. Geboren und gestorben in Plains, Georgia, lebte Carter in bescheidenen Verhältnissen. Seine Ehefrau Rosalynn heiratete er 1946, in jenem Jahr, in dem Trump das Licht der Welt erblickte.
Biden, der die Hauptrede hielt, betonte Carters Charakter. Auch wenn einige, darunter Trump, Carters Amtszeit kritisch sehen, wurde in der Kathedrale ein anderes Bild seiner Hinterlassenschaft gezeichnet. Carter gründete die Ministerien für Energie und Bildung, erkannte den Klimawandel an und hob die Bedeutung der Menschenrechte hervor – Errungenschaften, die Trump in der Vergangenheit ablehnte.
Carters Beerdigung erinnerte an die gegensätzlichen politischen Richtungen Amerikas. Trump, der beim Amtsantritt Rachegelüste hegt, und Carter, dessen Frömmigkeit zur politischen Bürde wurde, hatten unterschiedliche Visionen von Populismus. Beide Außenseiter verband jedoch ihre Abneigung gegen Washington. Überraschenderweise würdigte Trump Carter nach dessen Tod anerkennend und lobte dessen Bestreben, Amerika zu verbessern.
Zum Missfallen Trumps bleibt die US-Flagge für 30 Tage auf Halbmast gesetzt, auch noch während Trumps Amtseinführung. Vielleicht ist das eine weitere der kleinen himmlischen Ironien.