Schizophrenie zählt zu den komplexesten psychischen Erkrankungen – und seit Jahrzehnten gab es kaum therapeutische Fortschritte. Nun stehen neue Medikamente und innovative Therapien bereit, die sowohl die Ursachen als auch die Symptome der Krankheit gezielter adressieren.
Schizophrenie im Fokus: Eine rätselhafte Erkrankung
Menschen mit Schizophrenie erleben eine verzerrte Realität. Stimmen, die nicht existieren, Wahnvorstellungen und ein Gefühl der Verfolgung bestimmen den Alltag vieler Betroffener.
Etwa einer von 200 Menschen erkrankt im Laufe seines Lebens daran – oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Dabei leidet nicht nur das soziale Umfeld, auch die Suizidrate ist bis zu viermal höher als im Durchschnitt.
Die Krankheit selbst hat zwei Hauptdimensionen: Zum einen die sogenannten Positivsymptome wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen, zum anderen die Negativsymptome, zu denen emotionale Abstumpfung, Antriebslosigkeit und sozialer Rückzug zählen. Beide Aspekte erschweren eine normale Lebensführung erheblich.
Neuer Ansatz in der Medikation
Die Zulassung des neuen Medikaments Cobenfy, das erstmals über einen anderen Wirkmechanismus als herkömmliche Antipsychotika funktioniert, markiert einen bedeutenden Fortschritt.
Anders als bisherige Mittel, die hauptsächlich Dopamin-Rezeptoren blockieren, setzt der Wirkstoff Xanomelin auf muskarinische Rezeptoren. Diese steuern indirekt den Botenstoff Acetylcholin, der eine zentrale Rolle im Gehirn spielt.
Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: Während klassische Medikamente oft schwere Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen oder extreme Gewichtszunahme mit sich brachten, bleibt Cobenfy in dieser Hinsicht deutlich verträglicher.
„Das wird die Behandlung von Psychosen revolutionieren“, betont Christoph Correll, Psychiater und Experte auf diesem Gebiet.
Die Erfolge führten dazu, dass Karuna Therapeutics, das Unternehmen hinter Cobenfy, jüngst für 14 Milliarden US-Dollar von Bristol Myers Squibb übernommen wurde.
Doch die Kosten bleiben ein Thema: Ein Monatszyklus kostet in den USA derzeit rund 2000 US-Dollar – und die europäische Zulassung steht noch aus.
Therapie der Zukunft: Avatar- und Kombinationstherapien
Neben Medikamenten werden auch innovative psychologische Ansätze erprobt. Die sogenannte Avatar-Therapie, bei der Patienten virtuelle Figuren mit den Stimmen ihrer Halluzinationen konfrontieren, zeigt beeindruckende Ergebnisse.
Patienten lernen, sich den „Stimmen“ zu widersetzen, was in Studien zu einer erheblichen Reduktion der Halluzinationen führte.
Gleichzeitig arbeiten Forscher an neuen Substanzen wie Emraclidin, das auf Acetylcholin-Rezeptoren abzielt, oder Evenamide, das den überaktiven Neurotransmitter Glutamat reguliert.
Diese Wirkstoffe könnten vor allem Patienten helfen, bei denen herkömmliche Therapien versagen. Erste Studien zeigen, dass bei bis zu 25 Prozent der Patienten mit diesen Mitteln vollständige Symptomfreiheit erreicht werden kann – ein bisher unerreichter Erfolg.
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Neue Hoffnung, alte Herausforderungen
Trotz aller Fortschritte stehen Forscher und Kliniker weiterhin vor Herausforderungen. Langzeitdaten zu den neuen Medikamenten fehlen noch, und die hohe Abbruchrate bei Therapien bleibt eine Hürde.
Auch bleiben viele der neuen Ansätze finanziell und infrastrukturell schwer zugänglich – insbesondere in weniger entwickelten Gesundheitssystemen.
Für Alice Evans, deren Lebensgeschichte zeigt, wie tiefgreifend Schizophrenie das Leben prägen kann, bot die Kunst einen Weg aus der Isolation. Doch nicht jeder Betroffene hat Zugang zu solchen Ressourcen. Mit neuen Medikamenten und Therapien könnten in Zukunft mehr Menschen eine reale Chance auf ein normales Leben erhalten.