18. Oktober, 2024

Märkte

Droht der Fahrradbranche die Pleitewelle?

Nach einem Boom während der Pandemie erlebt die Fahrradindustrie nun drastische Rabatte und eine Nachfrageflaute – eine Zerreißprobe für Hersteller und Händler.

Droht der Fahrradbranche die Pleitewelle?
Mit Rabatten von bis zu 80 Prozent signalisieren Händler wie die Bike & Outdoor Company eine tiefgreifende Krise in der Fahrradbranche, ausgelöst durch Überproduktion und einen plötzlichen Nachfrageeinbruch nach der Pandemie.

Ungebremster Aufstieg und jäher Fall

Sechs Jahre lang kannte die Fahrradbranche nur eine Richtung: aufwärts. Angestachelt durch die Corona-Pandemie erreichte die Begeisterung für das Zweirad im Jahr 2020 ihren Zenit.

Doch nun, wo die Welt langsam zur Normalität zurückkehrt, erlebt der Markt eine abrupte Kehrtwende.

Der Bedarf an Fahrrädern ist dramatisch eingebrochen, Händler und Hersteller stehen vor einem Überangebot und sind gezwungen, ihre Preise radikal zu senken. Rabatte von bis zu 80 Prozent sind keine Seltenheit mehr, sondern bittere Notwendigkeit.

Die Rabattschlacht beginnt

In Hamburgs Bike & Outdoor Company, einem typischen Schauplatz dieser Entwicklung, spiegelt sich das neue Dilemma wider. Die sonst so belebte Einkaufszeit im Frühling wirkt wie verwaist.

Nach einem sechsjährigen Boom bricht der Fahrradmarkt ein: Verkaufszahlen in Deutschland sanken 2023 auf vier Millionen, trotz des anhaltenden Trends zu E-Bikes.

Fahrräder, einst begehrte Ware, hängen nun mit drastisch reduzierten Preisschildern an den Wänden. Das dunkelblaue Citybike, einst 799 Euro teuer, ist jetzt für 599 Euro zu haben.

E-Mountainbikes und High-End-Modelle, früher Symbole des urbanen Lifestyles, werden unter dem Banner „Party Deals“ verramscht.

Der Boom und seine Folgen

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist vielschichtig. Während der Pandemie, als Fitnessstudios geschlossen und persönliche Freiheiten eingeschränkt waren, florierte der Fahrradmarkt.

Angesichts sinkender Preise und einer gesättigten Käuferschaft passt Canyon sein Produktportfolio an und reduziert weniger gefragte Modelle, während es auf neue Märkte in Asien abzielt.

Die Verkaufszahlen in Deutschland stiegen von 3,85 Millionen im Jahr 2017 auf fünf Millionen im Jahr 2020. Diese unerwartete Nachfrage führte zu einer Bestellflut bei den Händlern, die oft weit über den tatsächlichen Bedarf hinausging.

„Da stehen noch immer große Mengen hochwertiger Räder, die nicht verramscht werden sollen“, sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer des Fahrradindustrie-Verbands ZIV.

Doch die Lieferkettenprobleme, insbesondere bei essenziellen Bauteilen wie Schaltungen und Bremsen, führten zu massiven Verzögerungen.

Erste Opfer und harte Realitäten

Die aktuelle Krise hat ihre ersten Opfer gefordert. VanMoof, der niederländische Hersteller stilvoller E-Bikes, kämpft ums Überleben. Große Namen wie Merida und Giant melden dramatische Umsatzeinbrüche.

Unternehmen wie VanMoof kämpfen nach einer Zahlungsunfähigkeit um ihre Existenz, ein deutliches Zeichen dafür, dass selbst etablierte Marken unter dem rapiden Marktumschwung leiden.

Der deutsche Hersteller Prophete musste sogar Insolvenz anmelden. Der Räumungsverkauf bei fahrrad.de zeugt von der Schwere der Lage.

Anpassung und Hoffnung

Doch inmitten dieser turbulenten Zeiten zeigt sich auch Anpassungsfähigkeit. Canyon, bekannt für seine hochwertigen Rennräder, reagiert auf das veränderte Konsumentenverhalten.

Während die Nachfrage nach preisgünstigen Rädern nachlässt, erweitert Canyon sein Angebot an Gravel-Bikes und richtet sein Augenmerk auf den asiatischen Markt, insbesondere China, wo die Marke eine neue Niederlassung plant.