Die Diversitätsstrategie in Unternehmen steht vor einem Umbruch: Audi verabschiedet sich von der gendergerechten Schreibweise mit Unterstrich, und auch andere Unternehmen ziehen nach.
Was einst als Zeichen der Gleichberechtigung galt, wird zunehmend hinterfragt. Ist dies das Ende eines Zeitgeists – oder nur eine Anpassung an die wirtschaftliche Realität?
Audi verabschiedet sich vom Gender-Gap
Bei Audi werden Mitarbeitende künftig nicht mehr mit dem Unterstrich als Gender-Sonderzeichen angesprochen. Damit beendet der Automobilhersteller ein Kapitel, das 2021 unter großem medialem Applaus begann.
Die Einführung gendersensibler Sprache sollte damals ein Zeichen für Vielfalt und Gleichberechtigung setzen.
Doch die praktische Umsetzung gestaltete sich schwieriger als gedacht: Die Schreibweise war sperrig, führte zu Problemen in IT-Systemen und wurde von Medien sowie Belegschaft nur begrenzt übernommen. Ein VW-Mitarbeiter klagte sogar gegen die Unternehmensrichtlinie – vergeblich.
Die Entscheidung, auf neutrale Begriffe wie „Beschäftigte“ oder „Team Audi“ umzusteigen, zeigt: Die Wirtschaft setzt zunehmend auf pragmatische Lösungen statt symbolpolitischer Maßnahmen. Und Audi steht mit diesem Schritt nicht allein.
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Von den USA bis Deutschland: Die Diversitätsdebatte verändert sich
Während Unternehmen in Deutschland gendersensible Sprache überdenken, ist die Bewegung in den USA bereits weiter fortgeschritten. Präsident Donald Trump hat in seiner zweiten Amtszeit begonnen, Diversitätsprogramme in Bundesbehörden rigoros abzubauen.
Konzerne wie Facebook oder McDonald’s folgen dem Trend und reduzieren ihre Initiativen in diesem Bereich. Ein Thema, das einst als gesellschaftlicher Fortschritt gefeiert wurde, spaltet nun zunehmend Politik und Wirtschaft.
Auch in Deutschland scheinen Diversity-Maßnahmen an Relevanz zu verlieren. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, von Inflation bis hin zu sinkenden Gewinnmargen, setzen Unternehmen unter Druck.
Viele Konzerne priorisieren Themen wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz – und kürzen Budgets für Gender-Guides, Coachings und Diversity-Events. Die Folge: Eine ganze Beratungsbranche, die sich auf Diversität spezialisiert hat, gerät ins Straucheln.
Das Ende der Diversity-Industrie?
Noch 2020 war Diversitätsmanagement in Unternehmen ein boomender Markt. Programme zur Förderung von Vielfalt wurden gefördert, Zertifizierungen verliehen, Events veranstaltet.
Doch die Nachfrage nimmt rapide ab. Ein prominentes Beispiel: Der „German Diversity Award“, 2020 mit großem Medienrummel eingeführt, wurde 2024 sang- und klanglos eingestellt. Die Veranstalter, das Beratungsunternehmen Beyond Gender Agenda, lösten sich kurzerhand auf.
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„Das Thema ist gesellschaftlich angekommen“, verkündete Gründerin Victoria Wagner. Kritiker sehen das anders: Viele Unternehmen hätten Diversitätsmaßnahmen vor allem als Imageinstrument genutzt – ohne strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Jetzt, da die öffentliche Aufmerksamkeit nachlässt, verschwinden auch die Programme.
Ähnlich sieht es bei der Berliner Uhlala GmbH aus, die Unternehmen zu sexueller Vielfalt berät. Ihr „Pride Index“, ein Ranking für LGBTQ-freundliche Firmen, verliert Teilnehmer: Waren es 2022 noch 78 Unternehmen, sank die Zahl 2024 auf 54. Ein Indiz dafür, dass Firmen ihr Engagement überdenken – oder schlicht nicht mehr die mediale Aufmerksamkeit erhalten, die sie sich erhofft hatten.
Vielfalt bleibt, aber ohne Show-Effekt
Heißt das nun, dass Unternehmen sich von Vielfalt verabschieden? Nein – aber sie setzen auf andere Schwerpunkte. Unternehmen erkennen zunehmend, dass echte Diversität nicht an Symbolen wie einem Gendersternchen hängt, sondern an konkreten Maßnahmen für Chancengleichheit.
„Budgets werden knapper, deshalb wird genau überlegt, worin investiert wird“, sagt Personalberaterin Britta Kaiser. Diversity-Schulungen heißen jetzt „Inclusive Leadership“, und anstelle von Gender-Guides setzen Unternehmen auf Maßnahmen, die direkt mit wirtschaftlichem Erfolg verknüpft sind – etwa Programme für internationale Fachkräfte oder den Generationswechsel in der Belegschaft.
Selbst Audi betont, dass der Abschied vom Gender-Gap kein generelles Ende der Gleichstellungsbemühungen bedeutet. Doch die Zeiten, in denen Unternehmen sich mit gut sichtbaren, aber wenig tiefgreifenden Diversity-Programmen schmückten, scheinen vorbei. Das, was bleibt, wird sich beweisen müssen – ohne ideologische Grabenkämpfe, sondern durch echte Ergebnisse.
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