Wenn das Auto plötzlich offline geht
Hans Stahl hatte sich längst an den Komfort gewöhnt: Morgens die Heizung im Smart EQ per App aktivieren, um mit eisfreien Scheiben loszufahren. Doch seit dem 1. Januar 2025 ist damit Schluss. Mercedes-Benz hat die zugehörige App abgeschaltet – und damit wesentliche Funktionen seines Elektroautos unbrauchbar gemacht.
Die Abschaltung betrifft tausende Kunden, die sich nun per Borddisplay umständlich durch die Menüführung kämpfen müssen. Funktionen wie Ladestatus-Überwachung oder Routenplanung per Smartphone gehören der Vergangenheit an. „Das Beste oder nichts“ – der berühmte Mercedes-Slogan bekommt für viele nun eine bittere Note.
Doch das Problem ist größer als eine nicht mehr funktionierende App. Der Fall Smart EQ offenbart die Risiken von softwaregesteuerten Fahrzeugen: Wenn Hersteller den Support einstellen oder technische Systeme nicht mehr aktuell halten, wird das Auto schrittweise entwertet – oder im schlimmsten Fall unbenutzbar.
Die Software-Lücke: Ein Auto ist nur so gut wie seine Updates
Der Smart EQ ist nicht das erste Auto, das durch Software-Probleme an Funktionalität verliert. Besonders drastisch traf es Kunden des gescheiterten Elektroauto-Herstellers Fisker.
Nach der Pleite des Unternehmens wurden die Server abgeschaltet – und die Fahrzeuge konnten keine Updates mehr erhalten. Technische Fehler blieben bestehen, einige Funktionen fielen aus, und es war unklar, wie lange die Autos überhaupt noch fahren würden.

„Autokäufer sollten sich die Frage stellen, ob ihr Wagen in fünf oder zehn Jahren überhaupt noch läuft“, warnt Michael Plagge, Experte für Fahrzeuginformatik bei der Eclipse Foundation. Denn die Hersteller müssen nicht nur Motoren und Batterien warten, sondern auch sicherstellen, dass Software und Server dauerhaft funktionieren.
Smart-Kunde Stahl sieht das Problem aus einer ganz anderen Perspektive: „Stellen Sie sich vor, ein Premium-Hersteller für Fernseher würde einfach die Fernbedienung abschalten – das gäbe einen Aufschrei!“ Doch in der Autobranche sind digitale Funktionen längst an der Tagesordnung – und wenn sie abgeschaltet werden, bleibt den Kunden oft nur Resignation.
Warum Mercedes den Stecker zieht
Offiziell begründet Mercedes-Benz das Ende der Smart-App mit veralteter Mobilfunktechnik. Der Smart EQ nutzt ein Modul, das lediglich 2G- und 3G-Standards unterstützt – doch 3G wurde bereits in vielen Ländern abgeschaltet.
Laut Hersteller war die App zuletzt auf 2G-Basis aktiv, doch „unzureichende Netzabdeckung und steigende Kundenreklamationen“ hätten den Weiterbetrieb unmöglich gemacht.
Die Alternative wäre ein Hardware-Upgrade gewesen – doch das lehnte Mercedes ab. „Eine Nachrüstung ist wirtschaftlich nicht darstellbar“, heißt es aus Stuttgart. Kunden, die auf die App angewiesen waren, müssen nun mit den Bordfunktionen auskommen oder auf neue Elektro-Modelle umsteigen.
BMW macht es besser – und Mercedes ignoriert den Ärger
Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt, dass es auch anders geht. BMW hat die digitale Infrastruktur seines i3-Elektromodells frühzeitig an neue Mobilfunkstandards angepasst. Ältere Fahrzeuge nutzen weiterhin eine reduzierte 2G-Version der App, sodass zumindest Grundfunktionen erhalten bleiben.
Mercedes hingegen hat den Smart EQ längst abgeschrieben. Die Marke wurde verkauft, die Produktion in Europa eingestellt, und neue Modelle werden in China von Geely gefertigt. Dass nun auch die Software stillgelegt wurde, bestätigt für viele Kunden den Verdacht: Die alten Smart-Modelle sind für den Hersteller nicht mehr relevant.
Doch die Entscheidung könnte langfristig zum Bumerang werden. Kunden, die sich jetzt vom Smart EQ im Stich gelassen fühlen, werden sich zweimal überlegen, ob sie wieder ein Mercedes-Produkt kaufen.
Autokauf 2025: Ist Software das größte Risiko?
Der Fall zeigt, wie stark die Automobilbranche in die Abhängigkeit von Software geraten ist. Fahrzeuge, die früher rein mechanisch funktionierten, werden heute über Server, Apps und Cloud-Dienste gesteuert.
Für Kunden stellt sich zunehmend die Frage: Wie lange bleibt mein Auto „online“? Die Haltbarkeit eines Fahrzeugs wird nicht mehr nur durch den Motor oder die Batterie bestimmt, sondern durch Software-Support und digitale Infrastruktur. Hersteller, die diesen Service einstellen oder vernachlässigen, riskieren, dass ihre Modelle innerhalb weniger Jahre unbrauchbar werden.
Das könnte Sie auch interessieren:
