Es sind alarmierende Zahlen, die die „Copsy-Studie“ des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zutage fördert: Mehr als 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden auch Jahre nach der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten.
Die Ursachen liegen nicht allein in den Einschränkungen durch Corona. Kriege, wirtschaftliche Unsicherheiten und die Angst vor dem Klimawandel belasten junge Menschen zusätzlich.
Die unsichtbaren Wunden der Pandemie
Schon in den ersten Monaten der Pandemie verloren viele Jugendliche den Halt: keine Schule, keine Treffen mit Freunden, keine Freizeitaktivitäten. Was anfangs wie eine vorübergehende Ausnahmesituation wirkte, entwickelte sich zur chronischen Belastung.
„Für viele Kinder und Jugendliche war der Verlust der Alltagsstruktur ein tiefer Einschnitt“, erklärt Dr. Stephan Bender, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln.
Diese fehlende Routine habe bei vielen langfristige Auswirkungen hinterlassen – von Konzentrationsstörungen bis hin zu Angststörungen.
Verschärfte Ungleichheiten
Besonders betroffen sind Kinder aus sozial schwachen Familien oder mit Migrationshintergrund. Die Einschränkungen während der Pandemie haben Bildungsungleichheiten verstärkt.
„Kinder aus benachteiligten Haushalten hatten weniger Zugang zu digitalen Lernmitteln und wurden in der Pandemie oft allein gelassen“, sagt Tanja Brunnert vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).
Diese Ungleichheiten wirken sich auch auf die psychische Gesundheit aus. So zeigt die Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, dass in ärmeren Haushalten häufiger Depressionen und Verhaltensauffälligkeiten auftreten.
Digitale Sucht als neue Gefahr
Neben den sozialen und psychischen Herausforderungen stellt auch die zunehmende Nutzung digitaler Medien eine Gefahr dar. Jugendliche verbringen immer mehr Zeit auf Plattformen wie TikTok und Instagram, wo sie mit verstörenden Bildern, unrealistischen Schönheitsidealen und toxischen Vergleichen konfrontiert werden.
„Soziale Medien agieren wie digitales Crack“, warnt Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Dauerhafter Konsum könne zu Schlafstörungen, Isolation und sogar Mobbing führen. Der Verband fordert daher, Medienkompetenz stärker in den Schulunterricht zu integrieren.
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Forderungen nach einem Gesundheits-Pakt
Um die Lage zu verbessern, fordern Experten einen umfassenden „Pakt für Kinder- und Jugendgesundheit“. Neben dem Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung müsse auch die Zahl der Schulpsychologen und Sozialarbeiter deutlich erhöht werden.
„Unbehandelte psychische Erkrankungen kosten die Gesellschaft langfristig mehr, als frühzeitig zu intervenieren“, so Brunnert. Politiker müssten sich ihrer Verantwortung bewusst werden und Lösungen jenseits der Legislaturperioden anstreben.
Ein Generationenproblem
Die psychischen Belastungen der jungen Generation sind vielschichtig. Sie spiegeln nicht nur die unmittelbaren Folgen der Pandemie wider, sondern zeigen auch die Schwächen des gesellschaftlichen Umgangs mit Krisen. Die Politik ist gefordert, jetzt zu handeln – bevor die unsichtbaren Wunden einer ganzen Generation zu tief werden.