Eine Welle, die zur Flut wurde
Die deutsche Wirtschaft hat 2024 einen düsteren Rekord erreicht: Mit 22.400 Unternehmensinsolvenzen steht das Land vor dem höchsten Stand seit 2015.
„Die Krisen der letzten Jahre schlagen nun mit Verzögerung durch“, erklärte Patrik-Ludwig Hantzsch von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.
Von Energiepreisschocks über gestiegene Finanzierungskosten bis hin zu Konsumflauten – die Herausforderungen sind zahlreich und branchenübergreifend.
Besonders betroffen waren der Handel, die Bauwirtschaft und die Tourismusbranche. Doch auch Start-ups und der Automobilsektor blieben nicht verschont. Ein Überblick über die spektakulärsten Pleiten des Jahres:
Handel: Das Ende einer Ära
Gleich zu Beginn des Jahres sorgte die erneute Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof für Schlagzeilen. Nachdem der Warenhausriese bereits zwei Schutzschirmverfahren durchlaufen hatte, war diesmal die Pleite der Muttergesellschaft Signa der entscheidende Auslöser.
Ähnlich traf es die Luxuswarenhaus-Gruppe KaDeWe, die nach einer Insolvenz ebenfalls um Investoren kämpfen musste.
Derweil verabschiedete sich der einst erfolgreiche Modehändler Esprit vollständig aus Deutschland. Auch die Deko-Kette Depot meldete Insolvenz an – jede elfte Filiale soll geschlossen werden.
Besonders symbolisch war die Pleite von Zoo Zajac, dem weltgrößten Zoofachgeschäft in Duisburg, das jahrzehntelang als Erfolgsgeschichte galt.
Tourismus: Das Ende von FTI
Im Sommer erschütterte die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI die Branche. Einst Deutschlands drittgrößter Anbieter, hinterließ der Zusammenbruch des Pauschalreise-Spezialisten rund 350.000 Forderungen von Kunden.
FTI galt als Paradebeispiel für die Herausforderungen im Tourismusgeschäft: steigende Betriebskosten, Konsumzurückhaltung und ein harter Wettbewerb mit Online-Plattformen.
Auch die Lindner Hotel AG, ein traditionsreiches Familienunternehmen, musste Insolvenz anmelden. Die Hotelkette versucht nun, durch Eigenverwaltung die Krise zu meistern.
Bau und Immobilien: Die zerbrochenen Träume
2024 war ein Jahr des Stillstands auf deutschen Baustellen. Besonders die Pleite der Gröner Group machte Schlagzeilen. Christoph Gröner, einst gefeierter Immobilienunternehmer, sah sich mit einer Flut von Insolvenzanträgen konfrontiert.
Seine Salami-Insolvenz spiegelt die Misere einer Branche wider, die mit Materialkosten, Zinsanstieg und Auftragsflaute kämpft.
Auch die Helma Eigenheimbau AG geriet überraschend in die Insolvenz. Ein Streit im Management und ein plötzlicher Führungswechsel verschärften die Krise. Während die Holzindustrie durch die Pleite der Ziegler Group ins Wanken geriet, verdeutlichen Baustopps im ganzen Land das Ausmaß der Probleme.
Automotive: Die Krise der Zulieferer
Der Automobilsektor, Deutschlands Vorzeigebranche, erlebte ebenfalls ein schwieriges Jahr. Mehrere Zulieferer, darunter die WKW-Gruppe und die AE Group, meldeten Insolvenz an. Die Umstellung auf Elektromobilität und die verschärften CO2-Vorgaben setzten die Branche massiv unter Druck.
Große Player wie ZF Friedrichshafen, Bosch und Continental reagierten mit massiven Stellenkürzungen. Auch Maschinenbauer wie Manz, die auf die Automobilindustrie angewiesen sind, rutschten in die Pleite. Experten sehen die Branche vor einer existenziellen Herausforderung – vor allem für kleinere Zulieferer könnte 2025 kritisch werden.
Start-ups: Große Träume, harte Landung
Auch der Start-up-Sektor blieb 2024 nicht verschont. Die Insolvenz des Elektro-Flugzeugbauers Lilium sorgte für Schlagzeilen. Mit hohen Investitionen und ambitionierten Plänen gestartet, musste das Unternehmen schließlich Konkurs anmelden. Doch kurz vor Weihnachten fand sich ein Investor, der das Unternehmen rettete.
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Weitere prominente Fälle waren das Fintech Creditshelf, das ein Schutzschirmverfahren durchlief, und das Umzugs-Start-up Movinga, das den Geschäftsbetrieb einstellen musste. Die Rettung von Instamotion, einer Plattform für Gebrauchtwagen, zeigte jedoch, dass eine Insolvenz nicht das Ende bedeuten muss.
2025: Ein düsterer Ausblick
Die Insolvenzwelle ist noch nicht vorbei. Für 2025 rechnen Experten mit weiter steigenden Zahlen. „Die wirtschaftliche Schwäche, gepaart mit gestiegenen Kosten, wird eine deutliche Marktbereinigung nach sich ziehen“, prognostiziert Allianz Trade. Besonders schwach finanzierte Unternehmen stehen auf Messers Schneide.
Während Deutschland auf 2025 blickt, bleibt eine Erkenntnis bestehen: Die Wirtschaft befindet sich im Umbruch. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Unternehmen und Politik Lösungen finden – oder ob die Flut zur Dauerkrise wird.