04. Januar, 2025

Wirtschaft

Die Schuldenbremse vor der Reform

2009 eingeführt, um die Staatsverschuldung zu begrenzen, steht die Schuldenbremse vor grundlegenden Veränderungen. Die Erfinder selbst sehen die Notwendigkeit, das Konzept an die Herausforderungen der Gegenwart anzupassen. Doch welche Reformen sind sinnvoll – und welche Risiken bergen sie?

Die Schuldenbremse vor der Reform
Seit 2009 begrenzt die Schuldenbremse die Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 % des BIP. Nach der Pandemie und dem Ukraine-Krieg ist die Regel an ihre Grenzen gestoßen – die Reformdebatte ist in vollem Gange.

Ein Konzept für die Ewigkeit?

Als die Große Koalition 2009 die Schuldenbremse ins Grundgesetz schrieb, wurde sie als Meilenstein gefeiert. Ziel war es, die Staatsverschuldung langfristig zu begrenzen: Der Bund darf seit 2016 jährlich maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an neuen Schulden aufnehmen. Für die Länder gilt ein vollständiges Neuverschuldungsverbot.

Doch 15 Jahre später ist die Bilanz gemischt. Zwar sank die Schuldenquote Deutschlands zwischen 2010 und 2019 von 82 Prozent auf 59 Prozent des BIP, aber Krisen wie die COVID-19-Pandemie, der russische Angriff auf die Ukraine und die Klimatransformation stellten die Regel vor große Herausforderungen.

Die Schuldenquote stieg 2020 wieder auf 69 Prozent und lag 2023 bei 66 Prozent. Angesichts der wachsenden Investitionsbedarfe sehen die Erfinder der Schuldenbremse Reformbedarf.

Peer Steinbrück: Verschuldung anpassen, Investitionen sichernDer ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, einer der Architekten der Schuldenbremse, plädiert für mehr Flexibilität.

„Man muss die Regel an die heutige Realität anpassen“, erklärte Steinbrück.

Er schlägt vor, die jährliche Verschuldung an den bestehenden Schuldenstand zu koppeln: Je niedriger die Schuldenquote, desto mehr Spielraum für neue Kredite.

Zudem spricht sich Steinbrück für Sondervermögen aus, ähnlich dem 100-Milliarden-Euro-Fonds für die Bundeswehr.

Solche Konstrukte könnten für Verteidigung oder Klimainvestitionen genutzt werden und wären im Grundgesetz abzusichern, um sie vor Begehrlichkeiten der Politik zu schützen. „Die Länder sollten dabei nicht ausgeschlossen werden. Was dem Bund zusteht, muss auch den Ländern ermöglicht werden“, so Steinbrück.

Werner Gatzer: 150 Milliarden Euro für Infrastruktur
Werner Gatzer, damals Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Mitgestalter der Schuldenbremse, sieht die Defizite besonders in der Infrastruktur.

Werner Gatzer fordert ein Sondervermögen von 150 Milliarden Euro, um Deutschlands Rückstand bei Infrastruktur und Digitalisierung aufzuholen. Ohne Reform könnten zentrale Zukunftsprojekte weiter auf der Strecke bleiben.

Heute Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn, fordert er ein Sondervermögen von mindestens 150 Milliarden Euro, um Investitionen in Verkehr, Energie und Digitalisierung zu sichern.

„Es muss klar definiert sein, dass das Geld nur für zusätzliche Investitionen verwendet wird“, betont Gatzer.

Gleichzeitig fordert er, die Zinsen für diese Kredite aus dem regulären Haushalt zu finanzieren. Dadurch entstünde Druck, andere Ausgaben zu kürzen, während Investitionen gefördert werden.

Christian Kastrop: Die Schuldenbremse soll „atmen“
Christian Kastrop, ehemaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium, schlägt eine „atmende“ Schuldenbremse vor. „Je niedriger die Gesamtverschuldung, desto höher der Spielraum für neue Kredite“, erklärt Kastrop.

Er schlägt einen jährlichen Verschuldungsspielraum von bis zu einem Prozent des BIP vor, sofern die Schuldenquote unter der EU-Grenze von 60 Prozent bleibt.

Kastrop sieht auch Public-Private-Partnerships als Möglichkeit, den Staat zu entlasten. Zudem fordert er eine Reform der Haushaltsführung: Eine Vermögensbilanz, wie sie in der Privatwirtschaft üblich ist, würde Investitionen und Schulden transparenter machen.

Horst Seehofer: Eine harte Haltung weicht auf
Horst Seehofer, CSU-Chef zur Zeit der Einführung, setzte damals durch, dass die Länder keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen. Doch die Position der CSU hat sich verändert.

Der heutige Parteichef Markus Söder erklärte, dass eine Reform nur im Kontext des Länderfinanzausgleichs verhandelt werden könne. Bayern, als größter Zahler, wolle eine gerechtere Lastenverteilung.

„Wir sind offen für Gespräche, aber die Benachteiligung Bayerns muss ein Ende haben“, sagte Söder.

Risiken und Nebenwirkungen

Die Vorschläge zur Reform der Schuldenbremse zeigen deutlich: Ein Kompromiss zwischen Haushaltsdisziplin und Investitionsnotwendigkeiten ist notwendig. Doch viele Experten warnen vor den Risiken.

Peer Steinbrück sieht Probleme in der Definition des Investitionsbegriffs: „Was genau als Investition gilt, lässt viel Interpretationsspielraum.“ Werner Gatzer fordert klare Regeln, um Missbrauch von Sondervermögen zu verhindern.

Eine größere Flexibilität in der Verschuldung birgt zudem die Gefahr, dass Gelder für konsumtive Zwecke statt für wachstumsfördernde Maßnahmen verwendet werden. Kritiker befürchten, dass eine Aufweichung der Schuldenbremse langfristig zu einer erneuten Verschuldungsspirale führen könnte.

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