Die vielbefahrene Strecke zwischen Hamburg und Berlin steht vor einer umfassenden Generalsanierung – so zumindest der Plan der Deutschen Bahn. Doch schon jetzt wird klar: Das Projekt steht auf wackligen Beinen.
Während die Kosten aus dem Ruder laufen und der Zeitplan immer enger wird, bleiben zentrale Fragen ungeklärt. Sind die Pläne der Bahn ambitioniert oder nur gut gemeint?
Ein ehrgeiziges Vorhaben mit Schwachstellen
2025 soll die Strecke Hamburg–Berlin für neun Monate komplett gesperrt werden. Die Generalsanierung soll die Strecke auf den neuesten Stand bringen und zukünftige Störungen vermeiden.
Doch die ursprünglichen Pläne, die den Einbau modernster Zugleittechnik (ETCS) und eine umfassende Erneuerung vorsahen, wurden bereits zusammengestrichen. Stattdessen wird nur das Nötigste umgesetzt.
Grund dafür sind explodierende Kosten: Die zunächst veranschlagten 2,2 Milliarden Euro hätten um knapp 30 % überschritten werden müssen. Nun versucht die Bahn, mit einer Budgetbegrenzung zu arbeiten, was den Umfang der Arbeiten erheblich reduziert.
Sparen am falschen Ende?
Besonders ins Auge sticht die Entscheidung, das geplante europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS auf später zu verschieben. Ursprünglich sollte dieses moderne System, das den Betrieb ohne Signale ermöglicht und die Kapazität der Strecke erhöht, eingebaut werden.
Doch da viele Züge derzeit nicht mit der erforderlichen Technik ausgestattet sind, müsste vorübergehend eine Doppelausrüstung installiert werden – ein teurer Zwischenschritt, den man sich nun spart.
Doch das verschobene Upgrade widerspricht der eigentlichen Idee der Generalsanierung: Fahrgäste und Güterverkehr akzeptieren langwierige Sperrungen, um die Strecke für viele Jahre auf einen Schlag zukunftssicher zu machen. Die Verschiebung von Arbeiten auf unbestimmte Zeit könnte dieses Vertrauen untergraben.
Baukosten treiben die Probleme
Die Probleme der Bahn beschränken sich nicht nur auf technische Einsparungen. Die gestiegenen Kosten für Baumaterialien und Fachpersonal belasten das Projekt zusätzlich. Zudem wurden die Bauabschnitte derart komplex ausgeschrieben, dass sich nur wenige Unternehmen auf die Aufträge bewarben.
Die Folge: ein Mangel an Wettbewerb und hohe Risikoaufschläge seitens der Anbieter.
Ein besonders heikler Punkt betrifft den Streckenabschnitt zwischen Hamburg und Büchen. Hier gab es laut Brancheninsidern lediglich einen einzigen Bewerber – zu einem Preis, der selbst für die Bahn untragbar war. Die Arbeiten wurden zurückgezogen und sollen nun neu ausgeschrieben werden.
Knappes Geld und politische Unsicherheit
Die finanzielle Lage der Deutschen Bahn wird zusätzlich durch die politischen Entwicklungen erschwert. Nach dem Bruch der Ampelkoalition bleibt der Bundeshaushalt für 2025 unklar, und zusätzliche Mittel für die Sanierung wurden nicht freigegeben.
Stattdessen müssen die Arbeiten aus bestehenden Mitteln der sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) bezahlt werden – ein Topf, der eigentlich für zahlreiche andere Projekte vorgesehen war.
Für die Bahn bedeutet das, dass dringend notwendige Arbeiten an anderen Strecken womöglich verschoben oder gestrichen werden müssen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass auch die Generalsanierung Hamburg–Berlin nicht in vollem Umfang umgesetzt wird.
Baukultur oder Baustellenchaos?
Die Bahn verspricht trotz aller Hindernisse, dass die Sanierung wie geplant starten soll. Doch Branchenvertreter und Kritiker zweifeln daran, dass eine neunmonatige Vollsperrung tatsächlich gerechtfertigt ist, wenn zentrale Arbeiten eingespart werden.
Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands „Die Güterbahnen“, fragt: „Ist die lange Sperrung wirklich notwendig, wenn am Ende weniger als geplant umgesetzt wird?“ Diese Zweifel werden durch die Erfahrungen anderer Projekte bestärkt: Bei der Generalsanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt verdoppelten sich die Kosten von ursprünglich geplanten 600 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro.