Ein Geschäft ohne Kassenbon
Deutschland steckt in der Rezession – aber nicht überall stockt der Betrieb. In der Schattenwirtschaft boomt das Geschäft wie lange nicht mehr. 498 Milliarden Euro, schätzt der renommierte Finanzwissenschaftler Friedrich Schneider, wird die Schwarzarbeit dieses Jahr erreichen.
Das sind über 12 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Ein gigantisches Paralleluniversum, in dem Geld unversteuert fließt und soziale Sicherungen umgangen werden.
Die Gründe sind vielfältig: Schlechte Wirtschaftslage, steigende Arbeitslosigkeit und politische Fehlanreize spielen zusammen wie Zahnräder in einem gut geölten System. Auch die Anhebung des Bürgergeldes um zwölf Prozent hat die Dynamik in der Schattenwirtschaft überraschend stark beeinflusst – auf teils paradoxe Weise.
Bürgergeld: Weniger Zwang, mehr Schlupflöcher?
Die Logik dahinter ist kompliziert: Zwar haben Bürgergeldempfänger durch die höheren Transfersätze weniger Druck, nebenher illegal zu arbeiten. Doch genau diese Erhöhung senkt den Anreiz, überhaupt wieder legal ins Erwerbsleben einzusteigen.
„Wer mehr Bürgergeld bekommt, hat weniger Motivation, eine reguläre Arbeit aufzunehmen“, sagt Schneider.
Gleichzeitig profitiert die Schattenwirtschaft davon, dass neue Haushalte hinzukommen, die Bürgergeld beziehen – und nebenher schwarzarbeiten.
Unterm Strich, so Schneider, ist die Lage klar: Die Anreize sind falsch gesetzt, und die Grauzone wächst.
Baustellen und Küchen – die Hotspots der Schwarzarbeit
Besonders die Gastronomie und das Baugewerbe stehen erneut im Fokus. Hier wird Schwarzarbeit fast schon als Geschäftsmodell betrieben. In der Gastronomie spielt auch die Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer von 19 Prozent eine Rolle.
„Das erhöht den Druck, Umsätze am Fiskus vorbei zu schleusen“, so Schneider. Für 2024 wird allein in dieser Branche ein zusätzlicher Anstieg der Schwarzarbeit um 1,9 Milliarden Euro erwartet.
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Der Großteil der Steuerausfälle entfällt jedoch auf private Dienstleistungen. Ob Reinigungskräfte, Babysitter oder Gärtner – im Haushalt regiert oft der Handschlag statt der Quittung. Ein Vorteil für die Auftraggeber: Brutto ist hier gleich netto.
Politik im Blindflug?
Ex-Finanzminister Christian Lindner hatte versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. Kurz vor dem Ende der Ampelregierung brachte er einen Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Zollfahndung durchs Kabinett.
Der Fokus: Digitalisierung und effizientere Kontrollen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Im Jahr 2023 wurden 20 Prozent weniger Firmen kontrolliert als im Vorjahr. Die Folge: weniger aufgedeckte Delikte – trotz wachsender Schwarzarbeit.
„Qualität vor Quantität“ lautet das Mantra der Zollbehörde, doch es bleibt fraglich, ob die Strategie angesichts der riesigen Summen greift. Selbst schärfere Kontrollen könnten die Schattenwirtschaft nur begrenzt eindämmen. Denn oft fehlt den Behörden schlicht das Personal, um mit der Dynamik Schritt zu halten.
Die unbequeme Wahrheit
Trotz aller Probleme hat Schwarzarbeit auch eine andere Seite. Sie schafft Wertschöpfung, die offiziell nicht existiert. Das Geld fließt direkt in den Konsum, entlastet untere Einkommen und stützt die Kaufkraft.