Deutschland hat so viele Beschäftigte wie nie zuvor. Doch während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen ein Rekordhoch erreicht, bleibt eine Gruppe auffällig oft auf der Strecke: Ältere Arbeitnehmer zwischen 55 und 64 Jahren. Über 650.000 von ihnen sind aktuell arbeitslos – eine überdurchschnittlich hohe Quote. Und das, obwohl sie gebraucht werden.
Der Fachkräftemangel trifft Deutschland – doch Best Ager bleiben außen vor
Laut Prognosen fehlen der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren mehr als 700.000 Fachkräfte. Doch statt auf erfahrene Mitarbeiter zu setzen, verabschieden viele Unternehmen ihre älteren Angestellten frühzeitig.
Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bringt es auf den Punkt:
„Wir haben hier viel ungenutztes Fachkräfte-Potenzial, doch es fehlt eine Strategie, um es zu aktivieren.“
Vergleicht man Deutschland mit anderen europäischen Ländern, steht es auf den ersten Blick gar nicht so schlecht da: 74,3 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind noch erwerbstätig – Platz sieben in der EU. Doch diese Zahl täuscht über ein strukturelles Problem hinweg. Denn: Die Beschäftigungsquote sinkt drastisch, je niedriger der Bildungsabschluss.
Bei Akademikern liegt sie weit über dem Durchschnitt, bei Menschen mit Hauptschulabschluss oder ohne Ausbildung sind es gerade einmal 60,9 Prozent.
Fehlende Weiterbildung, unflexible Arbeitsmodelle – und der goldene Handschlag
Warum tun sich Unternehmen so schwer, ältere Mitarbeiter zu halten? Ein wesentlicher Grund ist die mangelnde Weiterqualifizierung. Während Großkonzerne in Schulungen investieren, fehlt es im Mittelstand oft an passenden Förderprogrammen.
Das Qualifizierungschancengesetz, das Weiterbildungen eigentlich erleichtern soll, wird kaum genutzt – zwischen 2019 und 2022 gab es nur einige zehntausend Anträge, obwohl Millionen Arbeitnehmer infrage kämen.
Statt in Umschulungen zu investieren, setzen viele Unternehmen auf den klassischen „goldenen Handschlag“. Frühverrentung wird als sozialverträgliche Lösung verkauft, doch langfristig verschärft sie den Fachkräftemangel.
Staatliche Hürden erschweren längere Erwerbstätigkeit
Hinzu kommen gesetzliche Regelungen, die einen flexiblen Übergang in die Rente unnötig kompliziert machen.
- Keine befristete Weiterbeschäftigung: Arbeitsverträge laufen automatisch aus, sobald die Altersgrenze erreicht ist. Eine befristete Wiedereinstellung wäre oft erwünscht – ist aber per Gesetz verboten.
- Hohe steuerliche Hürden für Weiterbildungen: Unternehmen können Weiterbildungskosten zwar absetzen, aber nicht den Lohnausfall. Eine Steuerpauschale für Weiterbildungszeiten könnte hier helfen.
- Begrenzte Zuverdienstmöglichkeiten: CDU und FDP fordern höhere Zuverdienstgrenzen für Rentner (bis zu 2000 Euro steuerfrei), die SPD lehnt das mit Verweis auf Ungleichheiten ab.
Lösungen: Was muss sich ändern?
Dass sich das Problem nicht von selbst löst, ist offensichtlich. Doch es gibt verschiedene Ansätze, die helfen könnten:
- Flexiblere Renteneintritte ermöglichen – Wer länger arbeiten will, sollte nicht durch starre Vertragsregelungen daran gehindert werden.
- Bessere Förderung für Weiterbildungen – Der Staat sollte Unternehmen stärker entlasten, wenn sie ältere Arbeitnehmer qualifizieren.
- Höhere steuerfreie Zuverdienstgrenzen – Damit sich die Weiterarbeit im Ruhestand lohnt, müssen finanzielle Anreize geschaffen werden.
- Sonderregelungen für körperlich anstrengende Berufe – Wer mit 60 nicht mehr auf dem Bau arbeiten kann, braucht gezielte Umschulungsangebote.
Der Fachkräftemangel wird sich verschärfen
Dass ältere Arbeitnehmer seltener arbeitslos werden als Jüngere, ist eine statistische Tatsache. Doch wenn sie einmal aus dem Berufsleben fallen, ist die Rückkehr deutlich schwerer. Statt Potenziale zu nutzen, werden erfahrene Fachkräfte oft in die Erwerbslosigkeit geschickt.
„Die These, dass ältere Arbeitnehmer nicht mehr gebraucht werden, wird mit zunehmendem Fachkräftemangel immer weniger haltbar“, sagt Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Unternehmen werden sich umstellen müssen – oder langfristig noch größere Probleme bekommen.
Das könnte Sie auch interessieren:
https://www.investmentweek.com/p/3107e214-e949-4684-8f47-d7a1a1c3af07/