Die Stadt Herne hält erneut die Krone des schnellsten deutschen Finanzamts hoch. Bereits im Jahr 2019 erklomm sie den Thron des Geschwindigkeitskönigs, und auch 2023 hat sie ihre Spitzenposition verteidigt.
Doch während in Herne die Steuerbescheide in rekordverdächtigen 30 Tagen eintreffen, muss man im Finanzamt Hameln-Holzminden in Niedersachsen satte 115 Tage auf die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung warten.
Dies sind die neuesten Erkenntnisse aus der jährlichen Auswertung von Lohnsteuer-kompakt.de, basierend auf etwa 400.000 bundesweit eingereichten Steuererklärungen.
Die Zahlen offenbaren nicht nur die eklatanten Unterschiede in der Bearbeitungsdauer zwischen den Ämtern, sondern werfen auch ein Schlaglicht auf die Gründe für die stetig zunehmende Verzögerung.
Ein Blick in die Daten zeigt, dass die Wartezeit für die Steuerpflichtigen im Schnitt immer länger wird. Doch warum?
Die Bremse tritt – Personalnot und fehlende Digitalisierung
Seit zwei Jahren nimmt die Grundgeschwindigkeit in der deutschen Steuerverwaltung ab, und das hat seinen Preis. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Einkommensteuererklärung verlängerte sich im vergangenen Jahr um drei Tage im Vergleich zu 2022 und sogar um sieben Tage im Vergleich zu 2021. Auf Anfrage des Bundesfinanzministeriums wird ein „Anstieg um drei Kalendertage“ bestätigt. Die Ursachen für diese Verlangsamung sind vielschichtig.
Die Personalnot als Klotz am Bein
In vielen Finanzämtern herrscht akuter Personalmangel. Die Bewältigung der Corona-Hilfen und die Bearbeitung von Millionen Grundsteuererklärungen haben die Mitarbeiter zusätzlich belastet.
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, bemängelt: „Auf der einen Seite ist der Digitalisierungsprozess in der Steuerverwaltung immer noch ein Scherz.“
Es fehlt nicht nur an ausreichendem Personal, sondern auch an einer zeitgemäßen Digitalisierung, die den Prozess beschleunigen könnte.
Der Digitalisierungsdilemma: Ein Fortschritt in Schneckenschritten
Das deutsche Steuersystem hinkt bei der Digitalisierung weit hinterher. Handwerkerrechnungen können immer noch nicht digital eingereicht werden, und von einer vorausgefüllten Steuererklärung, wie sie in anderen Ländern längst Standard ist, ist Deutschland Lichtjahre entfernt, so Holznagel.
Ein Grund dafür ist laut ihm die mangelnde Zusammenarbeit der zahlreichen Behörden und der Datenschutz, der jeden Fortschritt im Keim erstickt.
Rudolf Mellinghoff, Vorstandssprecher des Zentrums für die Digitalisierung des Steuerrechts der Ludwig-Maximilians-Universität München, teilt diese Einschätzung.
Er sieht Verbesserungsbedarf vor allem in der zentralen Ausrichtung der Digitalisierung.
Auf der Suche nach Lösungen: Expertengruppe für ein einfacheres Steuerrecht
Um dem Problem entgegenzuwirken, wurde im Herbst eine Expertengruppe des Finanzministeriums einberufen. Die Kommission soll ein „weniger komplexes, bürokratiearmes und zukunftsfähiges Einkommensteuerrecht“ erarbeiten. Ergebnisse werden bis zum Sommer erwartet. Diskutiert werden unter anderem höhere Pauschalen und Freibeträge.
Ein erster Schritt in Richtung Vereinfachung erfolgte bereits im Vorjahr, als die Homeoffice-Pauschale an die Pauschale für das Arbeitszimmer angeglichen wurde. Doch ob und wann die weitreichenderen Vorschläge der Kommission umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
In der Zwischenzeit müssen diejenigen, die Geld vom Finanzamt erwarten, Geduld aufbringen – und hoffen, dass die Wartezeit nicht noch länger wird als im Jahr 2023.