Es ist ein seltenes und mutiges Unterfangen in der deutschen TV-Landschaft: Zwei aufsehenerregende Serienprojekte brechen in dieser Frühjahrssaison mit dem traditionellen Genrerepertoire und bringen Near-Future-Szenarien auf die heimischen Bildschirme. "Helgoland 513" und "Charité"-Staffel 4 sind ambitionierte Produktionen mit einem Blick in mögliche Zukunftswelten und stellen damit die Weichen für science-fiction-affine Dramaturgie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Sky inklusive seines Streaming-Ablegers Wow sowie die ARD setzen mit ihren neusten Produktionen auf futuristische Handlungen, die die Zuschauer ins Jahr 2039 bzw. 2049 entführen. Die dystopische Serie "Helgoland 513" exploriert auf sieben Folgen ausgedehnt das Szenario einer postapokalyptischen Gesellschaft. Parallel dazu greift die vierte Staffel der Medizinserie "Charité", die bald über ARD-Mediathek und anschließend im Fernsehen zu sehen sein wird, Zukunftsthemen wie Klimawandel und gesellschaftliche Diversität auf.
Isabella Hermann, Autorin und Expertin im Bereich Politikwissenschaft, erläutert, dass das Genre "Near Future" bewusst Zukunftsszenarien skizziert und deren Implikationen reflektiert. Diese könnten die Gegenwart zur Diskussion stellen und eine Projektionsfläche bieten, auf der Themen wie technologischer Fortschritt und seine Konsequenzen oder die Bedrohung demokratischer Werte kritisch hinterfragt werden.
Ufa Fiction übernimmt die Produktion beider Serien, wobei die "Charité" unter anderem von der ARD Degeto, Arte und dem MDR in Auftrag gegeben wurde, mit Dreharbeiten im sonnigen Portugal. Der ARD-Koordinator Fiktion, Jörg Schönenborn, stellt die hohe Relevanz der sorgfältig recherchierten Inhalte heraus, welche die medizinischen Entwicklungen von morgen in eine glaubhafte Handlung einbetten und damit zum aktuellen Diskurs anregen sollen.
Das konkrete Setting der "Charité" beleuchtet etwa die Normalität von Klimakrisen-Auswirkungen, Innovationen im Gesundheitswesen und algorithmenbestimmten Alltagsprozessen. Außerdem wird Diversität großgeschrieben: Charaktere reflektieren unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Lebensmodelle, was den Wandel in der deutschen Gesellschaft abbildet.
"Helgoland 513", zehn Jahre zuvor angesiedelt, verwebt das Szenario einer tödlichen Pandemie mit einem Überlebenskampf auf der Insel Helgoland. Martina Gedeck und Alexander Fehling schlüpfen in die Hauptrollen und Hollywood-Regisseur Robert Schwentke führt Regie. Die Serie verspricht, neben ihrer angespannten Atmosphäre, auch komödiantische und menschlich-leichte Momente zu liefern.
Die Frage bleibt offen, wie das Publikum auf diese Erzählungen reagieren wird. Sind die Zuschauer bereit, ihre Gewohnheiten für visionäre Serienkonzepte zu ändern? Eins ist sicher: Gesprächsstoff werden diese Produktionen zweifellos liefern.