Realitätscheck für Deutschlands Energiewende
Die Energiewende gilt als eines der ambitioniertesten Infrastrukturprojekte Deutschlands. Doch eine neue Studie der Unternehmensberatung McKinsey wirft einen kritischen Blick auf die bisherigen Annahmen.
Laut der Analyse könnte der Strombedarf Deutschlands bis 2030 nur 530 Terawattstunden (TWh) betragen – deutlich weniger als die zuvor prognostizierten 670 TWh.
Fakten im Überblick:
- Prognostizierter Strombedarf 2030: 530 TWh (frühere Schätzung: 670 TWh)
- Einsparpotenzial beim Netzausbau: 250–300 Milliarden Euro bis 2035
- Erwartete Strompreise: 36–38 Cent/kWh (ohne Einsparungen: 50 Cent)
- Reduzierter Ausbau der Erneuerbaren: Photovoltaik könnte um bis zu 40 Prozent zurückgefahren werden
Für die Planer der Energiewende ist das eine Zäsur. Denn die geringere Stromnachfrage könnte den teuren Ausbau der Netze verlangsamen und somit Milliarden einsparen. McKinsey beziffert das Einsparpotenzial auf 250 bis 300 Milliarden Euro bis 2035 – ein seltener Hoffnungsschimmer inmitten der anhaltenden Debatte um steigende Energiepreise.
Wirtschaftsflaute als Ursache
Die geringeren Bedarfsprognosen spiegeln eine Realität wider, die viele Politiker und Unternehmen ungern zur Kenntnis nehmen: Deutschlands Wirtschaft befindet sich in einer Krise. Produktionsrückgänge und Werksschließungen, insbesondere in energieintensiven Industrien, dämpfen die Nachfrage nach Strom.
Auch das Wachstum bei Elektroautos und Wärmepumpen, zwei Schlüsseltechnologien der Energiewende, bleibt hinter den Erwartungen zurück. McKinsey spricht von einem „verzögerten Fortschritt“ und prognostiziert ein Stromnachfragewachstum von lediglich ein bis zwei Prozent jährlich.
Milliardeneinsparungen durch geringeren Netzausbau
Der Netzausbau gilt als einer der teuersten Bestandteile der Energiewende. Laut der McKinsey-Studie könnten die Investitionen für neue Stromleitungen und erneuerbare Kapazitäten von bisher geplanten 700 bis 850 Milliarden Euro bis 2035 auf 450 bis 550 Milliarden Euro sinken.
Diese Einsparungen würden direkt auf die Strompreise durchschlagen. Statt der befürchteten 50 Cent pro Kilowattstunde könnten die Kosten für Haushalte und Unternehmen auf 36 bis 38 Cent begrenzt werden. Doch selbst diese Werte liegen noch immer deutlich über dem EU-Durchschnitt und könnten Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit belasten.
Ausbau in Frage gestellt?
Eine zentrale These der Studie betrifft den Zubau erneuerbarer Energien. Während die Bundesregierung das Ziel verfolgt, bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu erreichen, sieht McKinsey hier Einsparpotenzial. Der Ausbau der Photovoltaik könne um bis zu 40 Prozent reduziert werden, ohne die Klimaziele zu gefährden.
„Eine weniger stark steigende Stromnachfrage erlaubt es, den Zubau der Erneuerbaren an den tatsächlichen Bedarf anzupassen“, heißt es in der Studie.
Kritiker warnen jedoch davor, dass ein langsamerer Ausbau die Versorgungssicherheit gefährden könnte, insbesondere wenn der Bedarf unerwartet ansteigt.
Hohe Strompreise bleiben ein Problem
Trotz der potenziellen Einsparungen bleibt die Aussicht auf sinkende Strompreise gedämpft. Nach McKinseys Berechnungen könnte der Kilowattstundenpreis auch bei optimierten Investitionen weiterhin bei etwa 36 bis 38 Cent liegen – weit entfernt von den Werten vor der Energiekrise.
„Die Energiewende wird teurer als ursprünglich gedacht, auch wenn sich Einsparpotenziale heben lassen“, erklärt Alexander Weiss, Leiter der weltweiten Energieberatung bei McKinsey.
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