09. Januar, 2025

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Deutschlands Bäcker in Not: Wie ein Handwerk um seine Zukunft kämpft

Jahrhundertealte Brotkultur, doch kaum Nachwuchs: Bäckereien stehen vor existenziellen Herausforderungen – doch einige Pioniere zeigen, wie es gehen kann.

Deutschlands Bäcker in Not: Wie ein Handwerk um seine Zukunft kämpft
Rund 5.000 Bäckereien haben in Deutschland seit 2011 aufgegeben – viele konnten dem Preiskampf gegen Discounter nicht standhalten.

Es riecht nach frischem Brot und gemahlenem Roggen, als Till Gurka, 31, in seiner Bäckerei in Freiburg die ersten Laibe des Tages in den Ofen schiebt. Doch Gurka beginnt nicht um Mitternacht wie viele seiner Kollegen, sondern erst am Morgen.

Seine Bäckerei öffnet für Kunden gegen 11 Uhr – und läuft dennoch hervorragend. „Ich wollte weg von der Nachtschicht. Warum sollte ich um drei Uhr morgens aufstehen, wenn die Kunden das Brot auch mittags kaufen?“, fragt er mit einem Schmunzeln.

Die Krise des Handwerks

So innovativ Gurkas Ansatz ist, so ernst ist die Lage in der Branche. Die Zahl der Bäckerlehrlinge ist dramatisch eingebrochen: Von einst 16.000 Azubis im Jahr 2005 sind heute gerade einmal 4.000 übrig.

Fast jeder vierte Lehrling bricht seine Ausbildung vorzeitig ab, berichtet der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Seit 2011 mussten etwa 5.000 Betriebe schließen. Das liegt nicht nur an den Arbeitszeiten – sondern auch am harten Preiskampf gegen Discounter und an einem verstaubten Image.

„Bäckereien brauchen frische Konzepte“

Rouven Quick, Sanierungsexperte für Handwerksbetriebe, sieht die Lösung in einem Umdenken: „Bäckereien müssen sich von der Massenproduktion abheben. Wer nur Brötchen für 15 Cent verkaufen will, hat keine Chance.“ Das Rezept? Individuelle Ansätze und gelebte Handwerkskunst.

Die Zahl der Bäcker-Azubis ist seit 2005 um 75 Prozent gesunken – ein beunruhigendes Signal für die Zukunft des Handwerks.

Gurkas Erfolg scheint Quick recht zu geben. Sein fünfköpfiges Team arbeitet ausschließlich tagsüber, die Backstube ist offen einsehbar, das Ambiente lädt zum Verweilen ein. Bewerbungen erhält er trotzdem mehr, als er annehmen kann.

Digital Natives und Teigkultur

Doch nicht nur neue Arbeitszeiten locken junge Menschen ins Handwerk. Die Bäckerei Schiedermeier in Rosenheim hat durch ihre TikTok-Videos einen viralen Hype ausgelöst. Ein Clip, in dem zwei junge Mitarbeiter Brezeln formen, erreichte 2,5 Millionen Aufrufe.

„Wir wollen das Handwerk greifbarer machen“, sagt Juniorchef Max Schiedermeier. Die Strategie scheint zu funktionieren: „Seitdem wir aktiv auf Social Media sind, bekommen wir regelmäßig Bewerbungen von jungen Leuten.“

Ist Tradition noch zeitgemäß?

Doch nicht alle Bäcker sehen Innovation als den einzigen Weg. Detlef Myska aus Wuppertal hält an den alten Methoden fest. Sein Betrieb öffnet nachts um 23 Uhr, um Brot und Brötchen für den frühen Morgen zu backen.

„Tradition hat ihren Wert“, sagt der Bäckermeister. Dennoch sieht auch er die Herausforderungen: „Ohne gute Bezahlung wird es schwierig, motivierte Mitarbeiter zu finden.“ Myska zahlt seinen Azubis freiwillig mehr als den Tarif.

Der Schlüssel zur Zukunft

Ob durch Social Media, veränderte Arbeitszeiten oder hochwertige Zutaten – Bäckereien müssen neue Wege finden, um sich zu behaupten. „Die Branche steht vor einem Umbruch“, sagt Nils Vogt vom Bäckerhandwerksverband.

„Doch die Ansätze, die wir sehen, machen Hoffnung.“ Die deutschen Bäcker könnten es schaffen, ihre traditionsreiche Kultur zu bewahren – und sie gleichzeitig in die Moderne zu führen.

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