Deutschland steht vor einer herausfordernden wirtschaftlichen Phase, die sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Die Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, sieht die Marke von drei Millionen Arbeitslosen als bedrohlich nahe, sollte es nicht bald zu konjunkturellen Impulsen kommen. Nach ihrer Prognose könnte diese Schwelle bereits im kommenden Frühling überschritten werden.
Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für September zeigen, dass die Zahl der Arbeitslosen nur geringfügig um 66.000 auf 2,806 Millionen Menschen gesunken ist, was 179.000 mehr sind als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote fiel leicht auf 6,0 Prozent. Diese Entwicklung deutet auf eine schwache Herbstbelebung hin, da die erwarteten Rückgänge in den Arbeitslosenzahlen geringer als üblich ausgefallen sind.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist ebenfalls rückläufig. Im September gab es mit 696.000 offenen Stellen deutlich weniger Angebote als vor einem Jahr. Besonders stark betroffen sind die Bundesländer Bremen und Berlin mit Arbeitslosenquoten von 11,1 Prozent und 9,8 Prozent. Im Gegensatz dazu verzeichnet Bayern mit 3,8 Prozent die niedrigste Quote.
Die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit ist ebenfalls gestiegen. Im September wurden Kurzarbeitsanzeigen für 65.000 Beschäftigte eingereicht. Dies ist eine signifikante Erhöhung im Vergleich zum Vormonat. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hebt die Notwendigkeit politischer Maßnahmen hervor, um die konjunkturellen Herausforderungen zu bewältigen. Er und Nahles betonen die Bedeutung einer begleitenden Unterstützung der industriellen Transformation, insbesondere angesichts der Marktveränderungen in Asien und der internationalen Konkurrenz.
Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, prognostiziert trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten eine leichte Entspannung für das nächste Jahr. Sie rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Jahresdurchschnitt von 2,6 Millionen in 2023 auf 2,8 Millionen in 2024 und einem leichten Rückgang im Jahr 2025.
Ein ungelöstes Problem bleibt der Fachkräftemangel. Besonders in den Dienstleistungsberufen suchen Unternehmen weiterhin verzweifelt nach Personal. Die Besetzung offener Stellen dauert heute viermal so lange wie vor 20 Jahren und viele Positionen bleiben über ein halbes Jahr unbesetzt. Andrea Nahles betont, dass der Dienstleistungssektor zwar weiterhin Personal aufbaut, dies jedoch nicht ausreicht, um den fehlenden konjunkturellen Schwung zu kompensieren. Im industriellen Sektor steigen hingegen sowohl Arbeitslosigkeit als auch Rückgänge in der Beschäftigung weiter an.