Die Disziplin bröckelt
Deutschland, einst gefeierter Weltmeister im Mülltrennen, steht vor einem hausgemachten Problem: Die Sammelqualität hat drastisch abgenommen. Fehlwürfe in den gelben Tonnen liegen laut Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zwischen 20 und 40 Prozent.
Viel zu hoch, um effizient recyceln zu können. Gunda Rachut, Chefin der ZSVR, bringt es auf den Punkt: „Viele sehen keinen Sinn mehr in der Mülltrennung.“
Die Folgen sind weitreichend. Steigende Kosten, aufwendigere Sortierung und weniger hochwertiges Recycling belasten die Entsorgungswirtschaft. Besonders betroffen ist die gelbe Tonne, in der neben Plastikverpackungen zunehmend Restmüll landet.
„Der gelbe Sack hat versagt“
Eine Hauptursache sehen Experten in der Umstellung von gelben Säcken auf Tonnen. „Gelbe Säcke boten eine Art Kontrollfunktion“, erklärt Rachut. „Wenn sie voll Restmüll waren, ließen Müllwerker sie einfach stehen.“
Mit den blickdichten Tonnen fällt diese Kontrolle weg – der Müll landet ungefiltert in den Recyclinganlagen.
Hinzu kommt ein finanzieller Anreiz für Fehlwürfe. Während die Entsorgung der Restmülltonne Gebühren kostet, bleibt die gelbe Tonne kostenlos. Dies motiviert dazu, Restabfall einfach umzuverteilen – ein Problem vor allem in städtischen Gebieten, wo soziale Kontrolle fehlt.
Fehlwürfe überall
Doch nicht nur Restmüll in der gelben Tonne ist ein Problem. Wertstoffe wie Bioabfälle, Altglas und Papier landen immer häufiger im Restmüll. 40 Prozent des Gewichts in der Restmülltonne besteht aus Bioabfällen, die eigentlich in die Biotonne gehören. Auch Altglas geht zunehmend verloren – 4,3 Kilogramm pro Kopf landen jedes Jahr in der falschen Tonne.
„Diese Stoffe sind für das Recycling verloren“, warnt Bettina Rechenberg vom Umweltbundesamt (UBA). Die Recyclingquote für Glas fiel 2023 auf 83,1 Prozent und verfehlt damit das gesetzliche Ziel von 90 Prozent.
Zahlen und Fakten:
- Fehlwürfe in gelben Tonnen: 20 bis 40 Prozent.
- Bioabfallanteil im Restmüll: 40 Prozent.
- Glas-Recyclingquote 2023: 83,1 Prozent (Ziel: 90 Prozent).
Verlorene Spitzenposition
Auch international verliert Deutschland an Boden. Länder wie Schweden und die Niederlande schneiden beim Recycling inzwischen besser ab. Matthias Fabian vom Umweltbundesamt warnt:
„Wir besuchen Anlagen und sehen deutliche Unterschiede in der Sammelqualität. In Deutschland landet zu viel Restmüll in der falschen Tonne.“
Besonders in Städten mit dichter Bebauung sei die Situation kritisch. Dort mangelt es oft an ausreichend großen Müllbehältern, und die Anonymität erschwert soziale Kontrolle. Auf dem Land ist die Situation besser – hier sind Fehlwürfe weniger verbreitet.
Lösungen in Sicht?
Die Entsorgungsbranche setzt auf bessere Verbraucheraufklärung und technologische Fortschritte.
Erste Verpackungen tragen bereits Hinweise zur richtigen Entsorgung, und ab 2028 wird eine EU-weite Kennzeichnung Pflicht. „Es ist wichtig, die Menschen mit klaren Regeln und einfachen Anleitungen zu unterstützen“, erklärt Rechenberg.
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