Zertifikatskrise und Produktionsstopps
Deutschlands Pharmaindustrie steht vor einem ernsthaften Problem, das weit über routinemäßige Produktionsfragen hinausgeht.
Die Verschärfung des chinesischen Antispionagegesetzes hat eine Welle der Unsicherheit ausgelöst, die deutsche Medikamentenprüfer in eine prekäre Lage bringt.
„Deutschland riskiert einen Stillstand in der Lieferkette und damit weitere erhebliche Lieferengpässe, die in diesem Fall hausgemacht sind. Andere europäische Länder gehen mit dem Problem deutlich flexibler um.“
Wichtige Kontrollreisen, die die Einhaltung der Produktionssicherheit gewährleisten sollen, sind in Gefahr – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die medizinische Versorgung in Deutschland.
Persönliche Gefahr für Inspektoren
Volker Bahr, Leiter globale Politik beim Pharmaunternehmen Medac, kämpft um ein entscheidendes Zertifikat für Krebsmedikamente. Doch die notwendige Inspektion in China wird durch das harte Antispionagegesetz blockiert.
Der Zugang zu einer sicheren und zuverlässigen Medikamentenversorgung darf nicht durch politische Spannungen gefährdet werden. Doch genau das passiert derzeit.
Die Beamten fürchten, bei ihren Inspektionen in China festgenommen zu werden, was zu einem ernsten Stillstand in der Zulieferkette führt.
Bundesweites Dilemma
Nicht nur Medac sieht sich mit diesem Dilemma konfrontiert. Bundesweit verzögern sich durch die politische Lage in China notwendige Prüfungen.
Thüringen und Baden-Württemberg, die wichtige Inspektionen vor sich haben, stehen vor ähnlichen Herausforderungen und müssen die Sicherheit ihrer Mitarbeiter gegenüber dem gesetzlichen Prüfauftrag abwägen.
Das Kiel Landesamt für soziale Dienste arbeitet unter Hochdruck an einer Lösung, ist jedoch in einem straffen Dialog mit der betroffenen Pharmafirma.
Die Gefahr der Abhängigkeit
Die Situation wirft ein grelles Licht auf eine gefährliche Abhängigkeit. Laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie stammen rund 90% der Antibiotika aus China.
Die aktuellen Ereignisse zeigen schmerzhaft, wie anfällig Deutschland für politische Entscheidungen eines einzigen Landes geworden ist.
„Wir hängen am Tropf von China“, warnt der Herstellerverband ProGenerika, und betont die dringende Notwendigkeit, die pharmazeutische Lieferkette zu diversifizieren.
Uneinheitliche Reaktionen der Bundesländer
Die Verantwortlichen in den verschiedenen Bundesländern ringen mit der Situation, während sich der Bund noch nicht eindeutig positioniert hat.
Dies führt zu einem Flickenteppich an Vorgehensweisen, der den deutschen Pharmamarkt weiter verunsichert.
Volker Bahr sieht möglicherweise als letzten Ausweg eine Klage gegen die eigene Aufsichtsbehörde – ein beispielloser Schritt in der deutschen Pharma-Geschichte.
Handlungsbedarf auf Regierungsebene
Die deutsche Regierung steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Sie muss schnell handeln, um eine Krise in der Medikamentenversorgung abzuwenden und gleichzeitig die Grundlagen für eine weniger risikobehaftete pharmazeutische Infrastruktur zu schaffen.