Drei führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr drastisch reduziert. Das Münchner Ifo-Institut und das IWH in Halle erwarten nun stagnierendes Wirtschaftswachstum, während das RWI in Essen lediglich ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent prognostiziert. Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser erklärt dazu: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Sackgasse“, und verweist darauf, dass andere Länder sich wirtschaftlich erholen. Die Ursachen lägen nicht nur in konjunkturellen Schwächen, sondern in einer tiefergehenden strukturellen Krise.
Ein ausgedünnter Auftragsbestand in Industrie und Bauwirtschaft, gepaart mit rückläufigen Investitionen und stagnierender Produktivität, zeichnet ein düsteres Bild. Besonders der Export leidet, obwohl die globale Wirtschaft wächst. RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt betont: „Deutsche Unternehmen verlieren dadurch Marktanteile auf internationaler Ebene.“
Die Forscher führen verschiedene Gründe für diese Misere an: Klimawandel, steigende Energiepreise, Digitalisierung, demografischer Wandel und die zunehmende Konkurrenz aus China spielen ebenso eine Rolle wie hohe Unternehmenssteuern und verwaltungstechnische Hürden im internationalen Vergleich. Diese faktischen Bedingungen erschweren es den Unternehmen, Investitionen zu tätigen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Subventionen würden hier nur wenig Abhilfe schaffen, so Wollmershäuser.
Hinzu kommen konjunkturelle Schwierigkeiten. Während die Inflation von 5,9 Prozent im letzten Jahr auf voraussichtlich 2,2 bis 2,3 Prozent in diesem Jahr sinkt, führt das wachsende Einkommen nicht zu höheren Konsumausgaben sondern zu vermehrtem Sparen, da die Bürger verunsichert sind. Die Arbeitslosenquote, die derzeit bei 5,7 Prozent liegt, könnte auf 6,0 Prozent steigen, prognostizieren die Institute. Das IWH erwartet sogar einen weiteren Anstieg im nächsten Jahr, während Ifo und RWI einen leichten Rückgang für möglich halten.
Aufhellung am Horizont bietet der leichte Anstieg des Auftragseingangs der deutschen Industrie im Juli, der jedoch hauptsächlich auf Großaufträge zurückzuführen ist. Ohne diese wäre der Auftragseingang wieder gesunken. Das Geschäftsklima im Mittelstand trübte sich im August bereits zum vierten Mal in Folge ein, die Lage wird so negativ eingeschätzt wie seit vier Jahren nicht mehr. Einzig der mittelständische Einzelhandel und größere Bauunternehmen können von den wenigen positiven Trends profitieren.