Einbrechende Umsätze und düstere Aussichten
Die deutsche Modeindustrie steckt in einer tiefen Krise. Der Branchenumsatz sank im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent, während die Exporte um dramatische 7,5 Prozent einbrachen.
Besonders betroffen sind wichtige Absatzmärkte wie Großbritannien (-18 %), Irland (-15 %) und Tschechien (-14 %). „Die Stimmung in der Branche ist alles andere als zuversichtlich“, räumt Gerd Oliver Seidensticker, Präsident des Modeverbands German Fashion, ein.
Hauptverantwortlich für die schlechten Zahlen ist die zunehmende Marktdominanz asiatischer Billiganbieter. Shein und Temu gewinnen rasant Marktanteile, indem sie extrem günstige Preise und ein nahezu endloses Angebot an neuer Ware bieten.
Insbesondere Temu, das erst 2023 auf den deutschen Markt kam, konnte innerhalb eines Jahres seinen Umsatz um 80 Prozent auf 38,5 Milliarden Euro steigern. Allein in Deutschland nutzen durchschnittlich 16,4 Millionen Menschen pro Monat die Plattform.
Die Verdrängung der deutschen Mode
Der Erfolg der chinesischen Anbieter ist nicht nur auf aggressive Preispolitik zurückzuführen. Sie umgehen den klassischen Einzelhandel und liefern direkt an Verbraucher.

Zudem setzen sie auf datengetriebene Produktionsprozesse, die es ihnen ermöglichen, Trends schneller und flexibler als etablierte Marken zu bedienen. Die deutschen Modeunternehmen hingegen kämpfen mit hohen Produktions- und Vertriebskosten – ein klarer Wettbewerbsnachteil.
„Die Konkurrenz aus China versorgt den Markt nicht nur mit billiger Ware, sondern verstärkt ihre Expansion massiv“, erklärt German-Fashion-Hauptgeschäftsführer Thomas Lange. „Weil die heimische Konjunktur in China schwächelt, drängen sie noch stärker in unsere Kernmärkte.“
Insolvenzen und Geschäftsschließungen nehmen zu
Der Druck auf deutsche Modehersteller zeigt sich auch in den steigenden Insolvenzen. 2024 meldete Esprit erneut Insolvenz an und schloss bis Januar alle 56 deutschen Filialen.
Auch der westfälische Modekonzern Gerry Weber hat kürzlich zum dritten Mal einen Insolvenzantrag gestellt. Selbst der Taschenhersteller Bree konnte sich nicht mehr halten.
Die Zahl der Modeunternehmen in Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 7,2 Prozent gesunken – und das betrifft nur Betriebe mit über 50 Mitarbeitern. Sobald die Daten für kleinere Unternehmen veröffentlicht werden, dürfte das Minus noch deutlicher ausfallen.
Gibt es eine Zukunft für deutsche Mode?
Der Modemarkt verändert sich grundlegend. Während chinesische Anbieter weiterhin Marktanteile erobern, stehen deutsche Unternehmen vor der Frage, wie sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben können.
Eine Möglichkeit wäre, selbst verstärkt auf Plattformmodelle zu setzen – Temu beispielsweise bietet lokalen Herstellern an, über den Marktplatz zu verkaufen. Doch bislang nutzen nur wenige deutsche Unternehmen diese Chance.
Ein Hoffnungsschimmer könnte die sogenannte Omnibus-Richtlinie der EU-Kommission sein, die Bürokratie abbauen und die Berichtspflichten für Unternehmen verringern soll. Doch kurzfristige Erleichterung wird das kaum bringen.
Seidensticker mahnt, dass die Politik sich stärker mit dem Konsumklima befassen müsse: „Ohne eine vitale Konsumlaune wird die Branche nicht aus der Krise kommen.“ Doch mit weiterhin hohen Inflationsraten und einem schwächelnden Binnenmarkt bleibt fraglich, ob deutsche Modeunternehmen die Wende schaffen – oder ob sich der Markt in den kommenden Jahren weiter drastisch konsolidiert.
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